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Die rote Farbe des Schnees

Die rote Farbe des Schnees

Titel: Die rote Farbe des Schnees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Holmy
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kommt ihr bekannt vor, jedoch nicht aus dieser Gegend. Sie hatte
es mit ihrem für die Kräutersuche geschärften Blick auf der Flucht von
Northmoor Castle im Morgengrauen am Straßenrand bemerkt.
    Malcom entlässt Heda aus seiner
Umarmung. Die kleine Hündin tappst daraufhin unschlüssig zwischen den beiden
hin und her und entscheidet sich dann für Malcom, auf dessen Schoß sie sich wie
ein Kätzchen zusammenkringelt. Seinem warmherzigen Lächeln zufolge und der Art,
wie er ihr versonnen durchs dichte Welpenfell streicht, scheint sie ihn mit
ihrem Charme bereits erobert zu haben.
    Auf ihren friedlichen Anblick
hin wird Joan innerlich ruhiger. Insgeheim hofft sie, dass sie nicht gleich
wieder ins Streiten verfallen.
    Unvermittelt hebt Heda den Kopf
und wittert aufmerksam mit gespitzten Ohren zum Kamm hinauf. Malcom und Joan
tauschen verwunderte Blicke, folgen beunruhigt der Blickrichtung des Hundes.
Als Heda zu knurren beginnt, hält ihr Malcom alarmiert das Maul zu, um
womögliche Kläffer zu unterdrücken. Dumpfes Donnern von Pferdehufen, das mit
einer befehlenden Männerstimme vermischt ist, lässt sie entsetzt erstarren. Ein
Mann in Rüstung erscheint auf dem Kamm. In gebeugter Haltung späht er in
Richtung zur Festung. Scheinbar wurde er als Kundschafter abbestellt.
    „Rühr dich nicht“, raunt
Malcom. „Für ihn unterscheiden wir uns nicht vom Felsen.“
    Joan schlägt das Herz bis zum
Hals. „Was sind das für Männer“, fragt sie ihn, ohne die Angst aus ihrer Stimme
heraushalten zu können.
    „Johns Mann ist er jedenfalls
nicht. Und für einen Schotten ist er zu schwer gerüstet“, erwidert er nach
kurzem Zögern leise. Scheinbar will er nicht aussprechen, was offensichtlich
ist. Denn außer Percys Männern kommt nun niemand mehr in Frage, für den ein
solch verdächtiges Verhalten spricht.
    „Malcom“, flüstert sie
entsetzt. „Unsere Spur!“
    Er nickt bedächtig. „Ich weiß.
... Wenn wir Glück haben, beachtet er sie nicht weiter.“
    Sie versucht nicht, sich auszumalen,
welches Schicksal sie erwartet, sollte er ihre Fußspuren bis hierher verfolgen.
Der Mann ist bis unter die Zähne schwer bewaffnet und nur etwa einen Steinwurf
von ihnen entfernt. Abrupt löst er sich aus seiner Starre. Er wendet sich von
ihnen ab und verschwindet lautlos wieder aus ihrem Sichtbereich, als hätte es
ihn nie gegeben.
    Joan atmet erleichtert aus.
„Welch Spuk“, haucht sie.
    „Nein, leider nicht“, erwidert
Malcom verbittert. „Schnell“, raunt er eindringlich und sie rutschen eilig das
Felsoval auf dessen vor Blicken geschützter Rückseite in den Schnee hinab.
    „Sie werden für einen
Überraschungsangriff an der Waldgrenze vorstoßen. Bete zu Gott, dass die Wache
sie bemerkt und noch rechtzeitig die Zugbrücke hochzieht.“ Wütend schlägt er
mit der flachen Hand gegen den Felsen. „Wir hätten uns wahrlich keinen
ungünstigeren Zeitpunkt für einen Spaziergang einfallen lassen können! Ohne
diesen wäre die Brücke niemals unten gewesen!“ Ruppig reicht er ihr Heda und
tastet vergeblich an seiner linken Seite nach dem Schwert. Leise fluchend
fixiert er Joan. „Versprich mir, dass du hier bleibst. Was auch geschieht, du
rührst dich nicht von der Stelle. ... Warte, bis die Sonne im Mittag steht und
gehe dann zum Kamm hinauf. Wenn auf der Burg noch immer Kämpfe zu beobachten
sind, schlage dich ins Dorf durch. ... Jedoch durch den Wald, nicht auf dem
Weg.“
    „Malcom, ich kann doch nicht
...“
    Mit einer energischen Geste
schneidet er ihr das Wort ab. „Du kannst, ... und du wirst!“ Auf ihre
abweisende Miene hin nimmt er ihr Gesicht eindringlich zwischen die Hände.
„Bitte tu ein einziges Mal, was ich dir sage. Es war noch nie wichtiger.“
    „Was hast du vor“, fragt sie
beinahe trotzig. Wie sie es hasst, bevormundet zu werden.
    Unbeirrt schüttelt er den Kopf.
„Versprich es“, beharrt er.
    Sie lehnt sich zurück gegen den
Felsen. „Nein. Du brauchst mich.“ Ihre Stimme ist fest.
    „Verflucht noch mal“, stößt er
heiser hervor. „Selbst mein Gaul ist auf mein Bitten hin nicht so störrisch,
wie du!“
    „Danke für den netten
Vergleich! ... Was hast du vor“, fragt sie unbeirrt.
    Mit einem fuchtigen Fausthieb
in den losen Schnee erhebt er sich. „Sie noch irgendwie vom Kamm aus zu warnen.
Also halte mich nicht mit solchen Narrheiten auf!“ Ein wütend ausgeführter
Schritt auf den Bergrücken zu lässt ihn bis zur Hüfte im hinterm Felsen
angewehten Schnee versinken.

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