Die rote Farbe des Schnees
Joans Trübnis
mit einer gehobenen Braue, leert seinen Weinkelch und erhebt sich.
Joan blickt überrascht zu ihm
auf, als er ihre Hand ergreift und sie zu sich hoch zieht. „Malcom, ich mag
nicht tanzen“, erklärt sie, bevor er sich mit einem geheimnisvollen Lächeln auf
den Lippen umdreht und sie mit sich fortzieht. Doch statt zu den Tanzenden
lenkt er sie aus der Halle heraus. Vor der Treppe dreht er sich versonnen zu
ihr herum, küsst ihre Hand, um sie gleich darauf wieder fest zu umfassen und
sie hinter sich her die Treppe hochzuführen.
Joan muss ob seiner
Geheimniskrämerei lachen. Atemlos kommen sie im dritten Stock an, wo er sie in
ihr Gemach dirigiert.
„Nimm deinen Mantel“, flüstert
er, um Robert und Leander nicht zu wecken oder deren Amme, die in einem
Lehnstuhl eingeschlafen ist.
Joan betrachtet ihn kurz
verwundert, leistet seiner Aufforderung jedoch Folge.
Sie verlassen ihre Kemenate und
ziehen sich die Mäntel über.
„Was hast du vor“, fragt sie
leise.
„Dich auf andere Gedanken zu
bringen, ... und reden.“ Er nimmt eine Fackel von der Wand, ergreift wieder
ihre Hand und zieht sie gnadenlos hinter sich her zur Treppe. Entgegen ihrer
Erwartung führt er sie jedoch noch höher in den vierten Stock, durch enge,
dunkle Gänge und weiter empor auf eine schmale hölzerne Wendeltreppe. Er dreht
sich um. „Schließ die Augen.“
Sie tut, wie ihr geheißen und
bemerkt lachend, dass er sie hochnimmt. „Malcom, was machst du mit mir?“
Statt zu antworten steigt er
mit ihr weiter treppauf. Sie hört eine Tür knarren und spürt plötzlich die gegen
ihr Gesicht schlagende Kälte. Er stellt sie auf die Füße, führt sie noch ein
kurzes Stück und sie fühlt seine warmen Lippen auf ihrem Mund. „Jetzt kannst du
sie wieder öffnen“, raunt er.
Sie blinzelt und reißt erstaunt
die Augen auf, als sie gewahrt, wo sie sich wiederfindet. Sie stehen in
schwindelerregender Höhe auf dem Wehrgang eines der zwei kleinen Wehrtürme, die
den trutzigen Wohnturm zu dessen beiden Schmalseiten mit ihren aus Stein
gefügten Kegeldächern überragen und den Blick uneingeschränkt auf den im
Mondlicht liegenden See freigeben. Es geht kein Wind mehr. Vereinzelte Wolken
ziehen allmählich unter einem sternübersäten Nachthimmel vorüber. Das Rauschen
der friedlich dahinplätschernden Wellen dringt sanft an ihr Ohr. Malcom steht
hinter ihr und legt ihr die Arme um die Taille. Sein Kinn ruht auf ihrer
Schulter.
„Es ist wunderschön“, staunt
Joan und legt die Hände auf den seinen ab.
Er nickt. „Amál und ich kamen
früher oft hier herauf, um ungestört reden zu können. Manchmal verzogen wir uns
auch nach drinnen unter das Dach, wo man vortrefflich gegen die Unbilden des
Wetters geschützt ist.“
„Ihr habt euch gut verstanden?“
„Hm.“
„Worüber tauschtet ihr euch
aus?“
Er stößt nachdenklich die Luft
aus. „Über Dinge, die uns auf der Seele brannten. ... Über Robert, der Amál
stets Nichtbeachtung entgegen brachte. Über unsere Brüder, die versuchten, ihn
wie früher Ulman zu drangsalieren.“
„Deshalb ignorierte ihn Robert
wohl“, mutmaßt sie anteilnehmend, woraufhin Malcom schweigt.
„Auf den Gedanken verfiel ich
noch nicht“, gibt er schließlich versonnen zu.
„Alles traurige Dinge“, stellt
sie fest, was ihn jedoch belustigt schniefen lässt.
„Nun ja, nicht unbedingt. Es
gab auch Gespräche über die Mägde hier im Haus und welche von ihnen am
großzügigsten sind.“
Sie stößt ihn zurechtweisend
an.
„Oder welche Liebespraktiken
wir dem Beichtvater wieder entlocken konnten“, fährt er vergnügt fort. „Der
trug sein uns heißersehntes Bußbuch wohlweißlich immer bei sich und konnte
dennoch nicht verhindern, dass wir ihn bei jeder Beichte spitzfindig
aushorchten. Ausgerechnet durch ihn wurde uns so manche Liebesart erst
bekannt.“
Auf Joans grüblerisches
Schweigen hin lacht er verhalten. „Mein Sohn“, fährt er mit verstellter Stimme
fort. „Mein Sohn, womit genau berührtest du sie zwischen den ...“, er räuspert
sich umständlich, „zwischen den Schenkeln? Wenn du es mit dem Mund tatest, muss
ich dich die vorgeschriebenen sieben Jahre Fasten bei Wasser und Brot Buße tun
lassen. Wenn es nur mit den Händen geschah ...“
Joan zieht in ahnungsvollem
Entsetzen die Luft ein und stößt ihm vorwurfsvoll einen Ellenbogen in den
Bauch.
Er bedenkt es mit heiterem
Lachen. Dann wird er wieder etwas ernsthafter. Er küsst ihr die Wange.
„Warum bist
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