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Die rote Farbe des Schnees

Die rote Farbe des Schnees

Titel: Die rote Farbe des Schnees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Holmy
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Jagd nur allzu gerne.
Meist jedoch, um den wagemutigen Jägern achtungsvolle Aufmerksamkeit zu zollen,
wenn diese nur mit einem Speer bewaffnet den wildesten Keilern entgegentreten.
Einige der Damen führen wie Awin einen kostbaren Habicht oder Falken für die
Beizjagd mit sich. Doch im Gegensatz zu ihnen möchte Joan mit dem Bogen jagen.
Unmöglich, dies mit Erfolg im wenig Halt bietenden Damensitz zu
bewerkstelligen, der Sicht und Bewegungsfreiheit einengt und es kaum zulässt, auf
das Pferd einzuwirken. Geschweige denn, einen schnellen Ritt in unwegsamem
Gelände. Statt ihrer Beinlinge, die nur anstößiges Aufsehen erregt hätten, ließ
sie sich von Malcom und Awin zum Tragen eines Garde-corps überreden. Das
Reisegewand ist von grasgrüner Farbe, dem einzigen, worin es nach Joans
Geschmack ist. Es ähnelt einem Surkot, nur dass es eine Kapuze sowie weite,
überlange Ärmel aufweist, denen man durch Schlitze in Ellenbogenhöhe entkommen
kann. Im Gegensatz zum Reitschlitz des von den Männern getragenen Gegenstückes
ist es bei der Frau unterhalb der Gürtellinie weit geschnitten, um das Reiten
zu ermöglichen. Joan hatte nur widerwillig zugestimmt, es anzulegen. Es wäre
ihr unmöglich, in diesem auch nur einen vernünftigen Schritt durch buschiges,
unebenes Gelände zu vollführen, ohne über den Saum des bis über die Fußspitzen
reichenden Gewandes zu stürzen. Sie hat sich vorgenommen, in Zukunft einfach
einen Surkot von Malcom zu tragen, um rittlings auf einem Pferd sitzen zu
können, ohne großes Missfallen zu erregen. Schließlich ist es auch ein
Kleidungsstück für die Frau, wenn auch mit Überlänge sowie ohne Reitschlitze
und ergänzende Beinlinge.
    „Schien es mir nur so, oder
wart ihr tatsächlich für einen Moment im Einvernehmen“, feixt Raymond neben ihr.
    Joan seufzt. „Sie ist
anstrengend“, klagt sie, was ihren Vater belustigt schniefen lässt.
    „Ich bin sicher, sie würde
Gleiches von dir behaupten, gar noch einige Ausdrücke hinzufügen.“ Er gibt
seinem Pferd die Sporen und folgt Awin hinterher. Joan blickt ihm grimmig nach.
    Malcom kommt neben sie.
    „Stell dir vor, selbst Awin
glaubt, dass wir uns ähneln. Bin ich die Einzige, die mit Blindheit geschlagen
ist?“
    Statt ihre Frage zu
beantworten, betrachtet er sie zu ihrem Verdruss mit unverhohlener Belustigung.
Sie schüttelt daraufhin verständnislos den Kopf.
    „Euch verbindet ein heißes
Temperament“, erklärt er. „Mit dem Unterschied, dass sie ihres in der Gewalt
hat.“
    Sie schnieft verächtlich.
„Eindeutig die Sichtweise eines Mannes. Es ist, als wenn du über zwei Pferde
fachsimpeltest.“
    Er lacht vergnügt. Dann endlich
kommt Bewegung in die Reiter. Die aufgeregte Hundemeute kläfft ohrenbetäubend,
während sie über die Brücke ausziehen.

Entdeckungen
    Joan klopft
an Miriams Tür und tritt auf deren Geheiß ein. Sie hatte sich beeilt, um Awin
zuvorzukommen. „Entschuldige, dass ich dich zu so später Zeit noch störe. Doch
ich bin wirklich um dein Wohlergehen besorgt.“
    Miriam liegt ausgestreckt auf
ihrer Bettdecke und lächelt ihr herzlich entgegen. „Du bist mir allezeit willkommen,
Joan.“ Sie zieht eine Braue hoch. „Deine Besorgnis muss in der Tat groß sein,
da du nicht mit den anderen beim Ball bist.“
    Joan winkt ab. Auch wenn sie
der Tanz, der sich hier wohl im Allgemeinen dem allabendlichen Fussballspiel
anschließt, in der Tat gereizt hätte. „Was sagte die Hebamme?“
    Miriam seufzt. „Ich bin so
froh, dass du auf Dowell Castle verweilst, Joan. Glaube mir.“ Sie räuspert
sich. „Nun, sie schlug entsetzt die Hände über dem Kopf zusammen, als sie von
den Aderlässen erfuhr. Dennoch glaubt sie, dass mein Unwohlsein nicht daher
rührt.“
    Joan nickt zustimmend.
    „Sie macht eine innere
Aufgewühltheit dafür verantwortlich. Ich solle von allem Abstand nehmen, was
mich aufbringt, lange Spaziergänge mit Amál im Wald unternehmen und mich schonen.
Dann Salate aus roten Rüben sowie Hühnerleber zu mir nehmen.“ Sie grinst und
deutet mit dem Kopf auf einen über und über mit rostigen Nägeln gespickten
Apfel auf einem kleinen Tisch neben dem Bett. „Und einen davon am Tag. Ich
nehme an, nachdem ich die Nägel wieder herauszog.“
    Joan lächelt. „Ja. Es macht
gutes Blut.“ Sie atmet durch. „Wohl denn. Ich kann dir nur empfehlen, ihren Rat
zu Herzen zu nehmen. Nebenbei bemerkt solltest du noch ausreichend trinken. Am
besten kräftigende Brühen.“
    Miriam lächelt erneut.

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