Die rote Farbe des Schnees
nicht, sein
Geschenk könne ihm den Gar aus machen“, fragt sie ihn besorgt.
Malcom blickt sie überrascht
an. Dann lacht er vergnügt über ihre ernste Miene. „Er ist ein verteufelt guter
Reiter. Vermutlich wie alle mit Araberblut in den Adern.“
Als sie auf den Hof hinaus
treten, steht Amál bei Ignis. Er hat dessen Kopf zwischen die Hände genommen
und seine Stirn an die des Pferdes gelegt. Das Tier steht erstaunlich still,
seine Ohren bewegen sich in einem fort und scheinen der murmelnden Stimme ihres
Herrn zu lauschen. Schließlich ruckt der Kopf des mächtigen Tieres nach oben.
Amál küsst es flüchtig zwischen seine Nüstern. Dann geht alles sehr schnell. Er
krallt sich in die Mähne seines Pferdes, schwingt sich mit einem geschickten
Satz auf seinen Rücken empor und stößt ihm mit einem schrillen Ruf die Fersen
in die Flanken. Ignis bäumt sich laut wiehernd auf, rudert kurz mit den
Vorderläufen durch die Luft, macht einen Satz nach vorn und prescht mit Amál,
der an ihm festzukleben scheint, über den Hof und zum Tor hinaus. Sie jagen
über die Brücke und sind alsbald im Wald verschwunden.
Joan kann ihn nicht mehr
ausmachen und blickt in Malcoms belustigtes Gesicht. Sie bemerkt, dass dieses
ihrer heruntergeklappten Kinnlade gilt, worauf sie eilends ihren Mund wieder
schließt. Sie grinst zurück. „Er ist nicht nur ein verteufelt guter Reiter. ...
Er reitet wie der Teufel!“
Malcom stimmt ihr wortlos
nickend zu. Kurz darauf wenden sie sich wieder dem Wohnturm zu, um einen
weiteren Tag von angekündigten vieren mit hochzeitlichem Feiern zu begehen.
Joans Meister
„Was sind
das wieder für große Sprünge? Mach kleine Schritte, Joan! Und dein Stand ist
alles andere, als sicher. Ich sollte dich erst einmal drei Tage lang
balancieren lassen!“
Joan reibt sich fahrig den
Schweiß aus den Augen und versucht vergeblich, ihren schnell gehenden Atem
unter Kontrolle zu bringen. Doch Malcom gönnt ihr keine Rast.
„Deine Form ist schon bessser“,
lobt er ausnahmsweise, was sie verächtlich schniefen lässt. Denn auch nach den
drei Tagen gnadenlosen Lauftrainings durch den morgenfrischen Wald hat sie
nicht das Gefühl. In Malcom hat sie ihren Meister im Laufen gefunden. Niemand
sonst vermochte bisher, sie darin zu schlagen. Doch an Ausdauer und
Schnelligkeit kann sie ihm nicht das Wasser reichen, brachte atemlos unter
Seitenstechen kaum einen Ton heraus, als er sich mit ihr beim Laufen auch noch
zu unterhalten versuchte.
„Nicht auf meine Klinge starren,
Joan“, gemahnt Malcom und holt erneut gegen sie aus. „Du parierst lediglich,
ohne selbst anzugreifen. Irgendwann wirst du einen Fehler machen und es trifft
dich einer meiner Hiebe. Du musst vielmehr versuchen, mich aus dem Takt zu
bringen. Sonst habe ich leichtes Spiel. Du solltest meinen Stil genau
beobachten.“ Er lässt von ihr ab und richtet sich auf. „Im Gegensatz zu dir bin
ich mit meiner Waffe verschmolzen. So achte nur auf meinen Schwertarm. Du musst
dir mein Schwert als seine Verlängerung VORSTELLEN. Beachte es gar nicht, habe
aber immer ein Gefühl für seine Reichweite. Es ist langsamer, als ich. Sieh nur
auf meine Hand und die Schulter. Wenn du gut bist, kannst du selbst nach
wenigen Augenblicken mit einem neuen Gegner dessen Hiebe vorhersehen und ihm
mit einem überlegten Streich zuvorkommen. Es gibt nicht so viele wirksame
Kombinationen, wie es dir jetzt vielleicht noch erscheint. Irgendwann kennst du
jede von ihnen und alles ist durchschaubar“, erklärt er, um sie gleich darauf
unvermutet anzugreifen.
Joan bläst erschöpft die Luft
aus, während sie pariert und wischt sich über die schweißnasse Stirn. Er
beansprucht sie bis zum Äußersten und eröffnet ihr dennoch ganz neue Welten der
Fechtkunst. Sie muss völlig umdenken, meist alles vergessen, was sie bisher
gelernt hatte, um offen für seine Erklärungen zu sein. Allmählich entwickelt
sie ein vages Gefühl für die Vorstellung, die er vom Fechten hat, kommt hinter
die Geheimnisse seines Könnens, insbesondere seiner Schnelligkeit. Doch ist sie
noch weit davon entfernt, diese Kenntnisse in die Tat umzusetzten, geschweige
denn, ihm einigermaßen zufriedenstellend die Stirn zu bieten. Er redet fast
ununterbrochen auf sie ein, verbessert sie pausenlos und rückt ihre Haltung
zurecht. Und im Gegensatz zu ihr ist er nicht im Mindesten außer Atem. Dennoch
ist ihr Kopf ganz klar. Sie saugt alles in sich auf, er muss ihr nichts zweimal
erklären. Ihr williger Geist
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