Die rote Farbe des Schnees
spätestens jetzt, auf dem Rückweg, den Tod geholt. Wie freut
sie sich bereits auf das wärmende Brautbad. Als sie an die festliche Trauung
zurückdenkt, wird ihr wieder warm ums Herz. Denn sie fühlt sich an ihre eigene
Trauung erinnert. Miriam und Amál strahlten regelrecht vor Glück, und das nicht
nur im wörtlichen Sinne. Joan sah es entgegen aller Warnungen von Rian mit dem
zweiten Blick. Dabei stimmten ihrer beider Farben, die sonst bei jedem Menschen
einzigartig sind, zu Joans Überraschung absolut miteinander überein. Etwas, das
offenbar verliebte Paare auszeichnet, da sie es dann auch bei allen anderen der
vorwiegend jüngeren Paare beobachten konnte. Allerdings auch bei einigen
Personen, von denen man es nie erwartet hätte und wo dies besser nicht so sein
sollte, da sie offiziell nicht zusammen gehörten. Dass sie es aber dennoch
taten, verrieten ihr die heimlichen Blicke, die sich sich zusandten, wenn sie
sich unbeobachtet wähnten. ... Doch dies war nicht ihre einzige Entdeckung. Ihr
wird das Herz wieder schwer, als sie daran denkt, ZWEI helle Lichter in Miriams
Bauch gesehen zu haben. Wie beneidet sie sie darum! Es versetzte ihr geradezu
einen schmerzhaften Stich ins Herz.
Hochzeit und
andere Versprechen
„Joan? Du
bist so verdrießlich.“ Malcom lässt sich entgegen der strengen Sitzordnung, die
Männer und Frauen trennt, neben ihr auf die Bank fallen. Er nimmt einen
versonnenen Schluck vom schweren, mit Honig und einem Hauch Pfeffer gewürzten
Wein seines Kelches.
Sie ringt sich ein Lächeln ab,
bleibt ihm jedoch eine Antwort schuldig und lässt stattdessen den Blick wieder
nachdenklich über die anmutig tanzende Hochzeitsgesellschaft schweifen.
Musikanten spielen mit Laute und Flöte zu einem neuen Tanzlied auf. Die Gäste
bewegen sich dazu im Vergleich zum ausgelassenen dörflichen Reigen bemessen und
steif. Mit kurzen Schritten, schweigend und erhobenen Hauptes, um der
Vorschrift, man solle beim Tanz ein Weinglas auf dem Kopfe tragen können,
gerecht zu werden. Joan verspürt nicht die geringste Lust, es ihnen gleich zu
tun. Sie könnte es auch nur schwerlich, da ihr vom üppigen Schmaus der Bauch
schmerzt. Doch sie vermochte sich beim Anblick des frischen Wildes, welches mit
seinen würzigen Marinaden begossen knusprig braun geröstet vorgesetzt wurde,
der auf Tabletts servierten Pfauen-, Kranich- und Reiherbraten, wahlweise mit
Kastanienfüllung sowie Zwetschgen, weiterhin Datteln oder Feigen in süßsaurer
Soße, Lerchenpasteten, in Milch gesottener Zicklein, Aal oder Ochsenzungen mit
Trüffel in Sülze, mit Safran gewürzter und dadurch gelb gefärbter Eiersuppe,
die mit Veilchen und einem Kranz getrockneter Erdbeeren garniert vorgesetzt
wurde, in Wein gesottener Feigen mit Mandelkernen, geräucherter Eier in
gepfefferter und mit Muskatnuss sowie Lorbeer versetzter Dillsauce und
dergleichen mehr nur schwer zurückhalten. Schon gar nicht beim Naschwerk in
Form von ellengroßen Tierfiguren feinsten Marzipans. Oder Waffeln,
Blätterteiggebäck, mit sündhaft teurem Rohrzucker kandierten Birnen, in Wein
gedünsteten Bratäpfeln mit Marzipanfüllung und Zimt bestreut oder in
Mandelmilch gekochtem Reis mit Honig, der mittels Färbung durch Sandelholz und
Petersilie rot-grün gestreift vorgesetzt wurde. Auch wenn sie es schändlich
findet, die Speisen durch überzogenes Würzen absichtlich ihrem urtümlichen,
natürlichen Geschmack zu entfremden. Doch dient der Gebrauch fremdländischer
teurer Gewürze im Allgemeinen der zur Schau Stellung von Wohlstand. Die
Gerichte wurden nach französischem Vorbild in wohlgewählten Gängen mit
raffinierter Reihenfolge aufgetragen, welche es auf wundersame Weise
meisterten, dass die Sättigung den Appetit nicht zu schmälern vermochte. Man
sollte keinen Gang auslassen, sich von jedem Gericht nur kleine Portionen
nehmen. Ständig wurden die Augen von neuen Farben, der Gaumen mit einer neuen,
wieder andersartig gewürzten Köstlichkeit gereizt, wobei man bereits, verführt
von den ausländischen Geschmäckern, gefräßig nach der nächsten Speise Ausschau
hielt. Um dem Magen Erholung zu gönnen, wurden zwischen den Gängen kurze Pausen
eingelegt, in welchen Musiker aufspielten, Jongleure, Pantomimen und Akrobaten
ihr Können bewiesen. Sie weiß um die immensen Kosten des Festes, denn
schließlich werden diese von den geladenen Gästen getragen. Es lässt auf
kostbare Geschenke schließen, die sie dafür im Gegenzug vom Brautpaar erhalten.
Malcom bedenkt
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