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Die rote Farbe des Schnees

Die rote Farbe des Schnees

Titel: Die rote Farbe des Schnees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Holmy
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wenigen
Augenblicken.“ Verzweifelt blickt sie gegen die Holzbalkendecke der Halle,
worauf diese verschwimmt. „Sie brachte zwei gesunde Kinder zur Welt“, fährt sie
mit unsicherer Stimme fort.
    Malcom fährt sich erschüttert
durch die Haare. Dann zieht er Joan an sich und küsst ihr tröstend die Stirn.
Es tut ihr gut. In der Halle ist es währenddessen still geworden.
    Joan löst sich von ihm. „Bitte
kümmere dich um Amál. Er ist völlig außer sich, nimmt seine Kinder nicht an.“
    Malcom nickt seufzend. „Kann
ich dich allein lassen?“
    Sie schenkt ihm ein trauriges
Lächeln und nickt.
    Mit sorgevoll gesenktem Blick
geht er an ihr vorüber aus der Halle hinaus.
    An seine Stelle treten Timothy
und Blanche, während Aidan hängenden Kopfes an ihnen vorüber geht, um die Halle
ebenfalls zu verlassen.
    „Das ist doch nicht wahr.“
Blanche betrachtet sie bestürzt.
    Joan
antwortet ihr lediglich mit einem Nicken. Sie will nicht mehr darüber sprechen.
„Ich ziehe mich zurück“, murmelt sie und kehrt ihnen den Rücken zu. Sie möchte
nur noch in die weichen Kissen ihres Bettes sinken und schlafen.
    Die Weihnachtstage waren noch nie zuvor so trostlos und
bedrückend wie in diesem Jahr. Niemand vermag seit Miriams Tod Frohsinn zu
verspüren. Selbst die Hartgesottensten unter den Männern laufen mit betretenen
Mienen und schweren Herzen umher. Amál weicht nicht von der Seite seiner
verstorbenen Frau. Selbst Malcom vermochte nicht, zu ihm durchzudringen. Sie
beabsichtigten, Miriams Leichnam in der kleinen Hofkapelle aufzubahren, doch
Amál war strikt dagegen. Er wollte sie nicht in der Kälte wissen und so
beließen sie Miriam in ihrem gemeinsamen Gemach im Wohnturm. Abwechselnd halten
sie Totenwache an ihrem Bett, während Amál ununterbrochen bei ihr ist. Er ist
nur noch ein Schatten seiner selbst, nimmt keine Nahrung zu sich. Joan und Awin
sind von größter Sorge um ihn.
    Joan
beobachtet, wie die junge Amme beide Kinder zugleich anlegt und stillt. Sie ist
mittlerweile sehr geschickt darin und überaus feinfühlig. Anfangs war die
kleine Miriam zu schwach, um Milch zu saugen und sie fürchteten bereits, sie
würde es nicht schaffen. Doch ihre Amme Muriel verstand es, ihr die Milch in
den Mund zu spritzen, indem sie die Brust ausstrich. Miriam begriff schnell,
schmatzte die Köstlichkeit in sich hinein. Nun ist sie kräftig genug, um selbst
zu trinken, steht ihrem Bruder Julian darin an Schnelligkeit nicht nach.
    Joan tauscht mit Awin einen
befriedigten Blick. Sie gehen ein wenig zur Seite, um nicht zu stören.
    Awin seufzt erleichtert.
„Immerhin eine Sorge weniger“, bemerkt sie mit einem Blick hinüber zu den
Kindern.
    Joan legt ihr trösend eine Hand
auf die Schulter. In den letzten Tagen hat sie Awin besser kennengelernt, weiß
nun, dass sie vieles zu überspielen versucht. Insbesondere ihr weiches Herz und
ein gefühlsbetontes Wesen.
    Awin betrachtet sie bedrückt.
„Joan. Ich werfe mir vor, ihr nicht gesagt und gezeigt zu haben, dass sie mir
wahrhaft am Herzen lag.“
    Joan nickt verstehend.
    „Sie hat sicher geglaubt, ich
würde sie hassen. Ich wusste es nicht besser, als sie ständig zurechtzuweisen.
Dabei ging sie die Sachen lediglich anders an, als ich. Doch kam sie damit
ebenfalls zum Ziel.“ Awin zwinkert eine Träne weg. „Insgeheim dankte ich Gott
wie oft, dass er Amál eine solch gute Frau zur Seite gegeben hatte. Sie passten
so einzigartig gut zueinander. Ich bewunderte ihre Geduld und Nachsicht, die
sie Amál entgegenbrachte, seine Tollheiten im Stillen zu belächeln vermochte,
... ihre Gutmütigkeit.“ Sie schüttelt den Kopf und legt eine Hand über den
Mund.
    Joan drückt sie an sich.
„Sicher hätte sie sich über solch offene Worte von dir gefreut. Doch ich
glaube, sie kannte dich besser, als du annimmst.“ Sie löst sich von ihr, um sie
anzulächeln.
    Awin verdreht daraufhin
seufzend die Augen. „Ich hasse es, so nahe am Wasser gebaut zu sein.“
    Joan nickt. Dieses Gefühl ist
ihr bekannt. „Quäle dich nicht länger. Es ist ohnedies schon traurig genug.“
    Awin nickt beipflichtend. Dann
räuspert sie sich und betrachtet Joan abwägend. „Amál und du, ihr steht euch
wohl sehr nahe?“
    Joan runzelt überrascht die
Stirn.
    „Er wollte dich dabeihaben, als
Miriam starb“, erklärt Awin.
    Es trifft Joan unvorbereitet.
Als Awin plötzlich über ihre unangenehm berührte Miene ein wissendes Lächeln
aufsetzt, strafft sich Joans Haltung. „Amál bedeutet mir viel. Ich

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