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Die rote Farbe des Schnees

Die rote Farbe des Schnees

Titel: Die rote Farbe des Schnees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Holmy
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auf und drängt sich an ihm vorbei, um ihnen
voraus zu eilen.
    „Ich bleibe in eurer Nähe“,
murmelt John, was Joan mit zustimmendem Nicken beantwortet.
    Miriam setzt den Fuß auf den
Absatz zum zweiten Stock und verhält dort erneut hüftkreisend. Doch der Schmerz
scheint nun beharrlich und zwingt sie in die Knie. John eilt herbei, doch sie
warten ab, bis sie sich erholt.
    „Schaffst du es bis zum
Gemach“, fragt Joan.
    Miriam erhebt sich und setzt
sich erstaunlich hurtig in Bewegung. „Ich glaube, es will nicht länger warten“,
antwortet sie gehetzt. Sie stützen sie, erreichen die offenstehende Tür zu
ihrem Wohngemach und atmen erleichtert auf, als sie den Fuß über die Schwelle
setzen. Miriam schafft es gerade noch bis zu ihrem Bett, an dessen nächstem
Eckpfosten sie sich abstützt, während sie unter der kommenden Wehe aufschreit.
Sie kann sich nicht länger auf den Beinen halten, so dass sie erneut auf die
Knie geht. John kommt neben sie und will sie unterfassen, um sie aufs Bett zu
hieven. Miriam stößt ihn jedoch zur Seite, stützt sich am Bettgestell ab und
spreizt stöhnend die Beine.
    Joan lässt sich hinter ihr auf
die Knie herab und rafft ihr das Gewand nach oben. Als Miriam verschnauft,
entledigen sie diese ihres Oberkleides, indem sie es ihr über den Kopf ziehen.
Sie empfängt die nächste Wehe mit einem ungehaltenen Schrei. Awin setzt sich
daraufhin vor ihr aufs Bett, um ihre Hand zu halten. Blanche indes holt eilends
von den sauberen Tüchern.
    „Du machst das sehr gut,
Miriam“, lobt Joan, um sie zu unterstützen. „Wenn die nächste Wehe kommt, atme
aus, öffne deinen Mund dabei ganz weit und presse dein Kind heraus.“ Sie atmet
durch und wechselt mit Awin einen angespannten Blick. „Es macht nichts, wenn
dabei die ganze Burg von deinem Schrei erbebt. Soll Amál ruhig hören, wie
schmerzhaft es ist.“
    Miriam kichert. Dann drückt sie
Awins Hand, dass diese schmerzhaft das Gesicht verzieht und lässt einen
markerschütternden, gedehnten Schrei erklingen. Joan greift zwischen ihre Beine
und spürt einen kleinen behaarten Kopf in ihre Hände gleiten. Als Miriam
stöhnend entspannt, streift sie ihr das blutbesudelte Unterkleid etwas nach oben
und nimmt deren freie Hand.
    „Hier, das Köpfchen ist schon
draußen.“ Sie führt Miriams Hand nach unten, dass sie es fühlen kann und diese
stößt einen überraschten Ruf aus.
    „Nun press es ganz heraus.“
    „Es strampelt und tritt“, ruft
Miriam lachend.
    Joan grinst zu Awin herauf und
diese nickt ihr aufmunternd zu.
    Dann vernehmen sie ihren
nächsten Schrei. Das Kind gleitet aus ihr heraus und sicher in Joans Hände. Sie
dreht es herum. Es ist ein Knabe. Seine Haut ist etwas dunkler als gewöhnlich
und sowohl glatt, als auch samtweich, die schwarzen, kurzen Locken noch
blutverschmiert. Er ist wunderschön. Sein kräftiges, wütendes Schreien lässt
Miriam herumfahren. Sie setzt sich und betrachtet ungläubig ihren Sohn.
    Joan gibt ihr das Kind gerührt
in die Arme, verharrt jedoch angespannt neben ihr, bereit, es ihr jederzeit
schnell wieder abnehmen zu können.
    Awin streicht Miriam bewegt
übers Haar. „Das war, Gott sei’s gedankt, eine leichte Geburt. Du hast Amál
einen gesunden Stammhalter geschenkt.“
    Miriam lächelt beglückt und
kann den Blick nicht von dem neuen Leben in ihren Armen abwenden. Der Kleine
schreit ohrenbetäubend. Blanche drückt auf eine Stelle in Nähe Miriams Nabels,
worauf die Nachgeburt aus ihr gleitet. Dann nimmt sie ihr den Kleinen lächelnd
ab, um ihn in ein wärmendes Tuch zu wickeln.
    „Er ist so schön“, haucht sie
ehrfurchtsvoll und begegnet Miriams mütterlich stolzem Lächeln. „Wir waschen
dich gleich sauber. Dann gehörst du ins Bett, Miriam.“
    „Nein“, antwortet Joan ruhig.
„Wartet noch etwas.“
    Awin erhebt sich und nimmt
ihren Enkel behutsam entgegen. Sie setzt sich mit ihm aufs Bett. Miriam wendet
sich zu ihnen herum, krallt sich jedoch plötzlich erneut am Bettgestell fest
und schreit laut auf.
    Joan war
darauf vorbereitet und legt ihr beruhigend eine Hand auf die Schulter. „Du
erwartest noch ein Kind, Miriam“, erklärt sie gefasst.
    Miriam ist
schweißgebadet. Sie liegt auf dem Bett und windet sich schreiend unter der
nächsten Wehe. Joan betrachtet Awin und Blanche ernüchtert. „Etwas stimmt
nicht“, bemerkt sie tonlos, womit sie ausspricht, was bisher keine von ihnen zu
sagen wagte.
    Die beiden nicken. Awin
versucht sorgenvoll, wieder Miriams Hand zu

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