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Die rote Farbe des Schnees

Die rote Farbe des Schnees

Titel: Die rote Farbe des Schnees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Holmy
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er
auf ein Knie geht, schlägt sie ihm vorsichtshalber mit der Faust noch kräftig
ins Gesicht. Dabei trifft sie seine Nase, die ihren Knöcheln unter
vernehmlichem Knirschen nachgibt, so dass er laut aufstöhnt. Zu ihrer
Befriedigung schießt ihm das Wasser nur so in die Augen. Während sich Nigel
jammernd die Nase hält und vor Schmerzen krümmt, kommt sie schwankend auf die
Beine.
    „Lass mich in Zukunft besser in
Ruhe, Nigel.“ Zu ihrer eigenen Überraschung ist sie ganz gefasst.
    Er sendet ihr einen hasserfüllten
Blick zu und betastet keuchend seine blutende, nun eigentümlich schiefstehende
Nase, die zusehends anschwillt. Offenbar hatte er mit einem eingeschüchterten
Dreizehnjährigen gerechnet.
    „Dafür wirst du bezahlen,
Bastard“, näselt er, ohne sie jedoch noch weiter verängstigen zu können.
    Joan kehrt ihm gelassen den
Rücken zu und pfeift Brix heran, mit dem sie dann gemächlichen Schrittes über
die Wiese zurückgeht. Er bleibt schließlich wieder grasend stehen. Als sie an
ihrer Feuerstelle anlangt, blickt Phil, auf seiner Decke flätzend, abwesend zu
ihr empor. Seiner urplötzlich erschreckten Miene nach muss sie einen wahrhaft
schauerlichen Anblick bieten. Ungerührt lässt sie sich im Schneidersitz auf
ihrer Decke nieder und befühlt ihren linken Wangenknochen. Die Seite ist
mächtig geschwollen.
    „Jack?“
    Joan blinzelt zu Malcom
herüber, der sie zu ihrem Erstaunen verärgert betrachtet. Er erhebt sich. „Auf
ein Wort“, knurrt er, indes er mit dem Kopf zum Waldrand hinüber deutet.
    Sie bemüht sich wieder auf die
Beine und folgt ihm hinterher. Als sie von den anderen weit genug entfernt
sind, dreht er sich zu ihr herum, stemmt die Hände in die Seiten und sieht ihr
schweigend ins Gesicht. Plötzlich schaut er über sie hinweg, worauf Joan etwas
zur Seite blickt, um zu erfahren, was seiner Aufmerksamkeit gilt. Sie erkennt
Nigel, der mit blutverschmiertem Gesicht langsam zum Wald trottet, um sich am
Quell zu waschen. Grinsend wendet sie sich wieder Malcom zu. Dessen Blick ruht
mißgestimmt auf ihr.
    „Ich weiß nicht, was es da zu
grinsen gibt, Jack. ... Versteh’ mich nicht falsch, es liegt mir fern, mich in
deine Angelegenheiten zu mischen. Es ist auch gut, dass du dich zu wehren
weißt. Offenbar muss ich dir auch im Faustkampf nichts mehr beibringen. Aber
mein Knappe prügelt sich nicht, hast du verstanden?“
    Mit einem Nicken sieht sie
betreten zu Boden.
    „Du bist schließlich kein
Bauerntölpel.“
    Sie blickt auf. „Was bin ich
DANN, Sir“, fragt sie schneidend.
    Es lässt Malcom die Luft scharf
einziehen. Er schaut kurz nach oben in die Baumwipfel. Dann fixiert er sie
wieder und tippt mit einem Zeigefinger auf das kleine gestickte Wappen an ihrer
linken Brust.
    „Ich setze alles daran, dass du
dies hier wieder dein Eigen nennen kannst. Ich gebe dir die Möglichkeit, deine
Ehre und die deines Vaters wiederherzustellen. Es wird ein langer,
beschwerlicher Weg sein, glaube mir. Wenn du es überhaupt bis ans Ziel
schaffst. Auf diese Weise jedenfalls nicht.“ Er wendet ihr den Rücken zu, um
wieder zurückzugehen.
    „Mylord?“
    Malcom dreht sich erneut zu ihr
herum.
    „Es soll nicht noch mal
vorkommen. ... Könnt Ihr mir ...“ Sie räuspert sich. „Kannst du mir sagen, was
meinem Vater vorgeworfen wird?“
    Er blickt ihr nachdenklich ins
Gesicht. „Es ist noch zu früh für die Wahrheit, Jack. Das Wissen darum ist gefährlich.
Aber ich kann dir sagen, dass sich Raymond nichts vorzuwerfen hat. Du hast
keinen Grund, dich seiner zu schämen. Doch hast du mächtige Feinde. Mit der
Faust ist denen nicht beizukommen.“
    Joan starrt ihn bestürzt an.
Ihr Vater ist kein Hochverräter, aber was ist er dann?
    „Warum hat mein ältester Bruder
Gabriel seine Ehre noch nicht wiederhergestellt“, fragt sie verwirrt.
„Schließlich ist er schon längst Ritter!“
    Malcom hatte sie auf ihre Frage
hin mit einem überraschten Blick bedacht. Auf sein nun unheilverkündend
schwermütiges Seufzen wird ihr ganz flau im Magen. Seine plötzlich mitfühlende
Miene verstärkt ihr ungutes Gefühl.
    „Ich nahm an, es wäre dir
inzwischen zugetragen worden. ... Gabriel stand in meinen Diensten ...“, er
unterbricht sich räuspernd. „Er kam auf einem Botengang für mich ums Leben. Er
ist schon seit beinahe zwei Jahren tot, Jack.“ Auf ihre bestürzte Miene hin
fährt er sich unangenehm berührt über das kratzige Kinn. „Ebenso deine anderen
Geschwister, soweit ich informiert bin.

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