Die rote Farbe des Schnees
nächsten drei Tage Gerolds Pferde versorgen.
Demonstrativ beißt sie von dem schönen, roten Apfel in ihrer Hand ab. Der
Geschmack der rohen Frucht ist nicht ungewohnt für ihren Gaumen, obschon man im
Normalfall kein ungegartes Obst isst, da es im Menschen schädliche Säfte
verursacht, den Darminhalt faulig und übelriechend werden lässt und einen mit
Darmwinden plagt. Seit sie jedoch ein bäuerliches Leben führt, gehören rohe
Äpfel zu Joans Leibspeise, gestützt durch Gwens Befürworten. Denn nach der
alten Kräuterfrau sind sie gar der Gesundheit förderlich und da sie im Tau der
Nacht wachsen durch diesen gewissermaßen vorgegart und gut verträglich. Nicht
zum ersten Male muss sie feststellen, dass man im Krieg wohl aus Zeitnot mit
seinen üblichen Gewohnheiten bricht. Insbesondere mit der Einnahme rohen
Wassers aus unbekannten Quellen oder Bachläufen. Etwas, wovor man sich
ansonsten hütet und das stets durch Getränke wie Wein, Ale, Cidre oder Brühen
umgangen wird.
Brix seinerseits scheint
ebenfalls ganz erpicht auf den rohen Apfel. Neugierig schnuppernd kommt er an
sie heran, worauf sie die Frucht wegzieht. Aus dem Augenwinkel heraus gewahrt
sie Phil, der sich aus einer Gruppe Waffenknechte gelöst hat und auf sie
zugeschlendert kommt. Sie seufzt. „Brix. Du bekommst den ganzen Apfel, wenn du
es jetzt tust“, flüstert sie ihm verschwörerisch zu und geht etwas zurück. Dann
schlägt sie ihm wieder sanft mit der Handfläche gegen die Vorderbeine. „Runter,
Brix“, befiehlt sie in gestrengem Ton, der jedoch tunlichst ignoriert wird.
„Na?“ Phil grinst scheinheilig.
„Was nun? ... Deine Zeit ist abgelaufen, Jack!“
Joan funkelt ihn an. Derweil
nutzt Brix ihre Unaufmerksamkeit und stiehlt ihr den lose gefassten Apfel aus
der Hand. Sie fährt zu ihm herum. „He“, mokiert sie sich zu Phils lautstarker
Belustigung.
Er lacht aus vollem Halse.
„Wolltest du ihn mit deiner Ration bestechen?“ Er schlägt ihr auf den Rücken,
dass sie einen Schritt nach vorn machen muss, um das Gleichgewicht zu halten.
„Du hättest ihn lieber selbst essen sollen, damit was aus dir wird“,
kommentiert er es hämisch.
Unter zusammengezogenen Brauen
zollt sie ihm einen zornigen Blick. Dann atmet sie niedergeschlagen durch.
„Einen Versuch hab’ ich noch!“ Auf sein belustigtes Nicken hin wendet sie sich
wieder dem störrischen Pferd zu. „Gut, du hast deinen Teil bekommen. Jetzt erfülle
gefälligst die Aufgabe!“
„Ist der Befehl nicht etwas zu
lang“, feixt Phil zu ihrem Ärger. Doch sie schenkt ihm keine Beachtung und
nimmt stattdessen die gespreizte Hand waagerecht vor ihr Gesicht. „Runter,
Brix!“ Dabei führt sie die Hand vor sich nach unten. Brix nimmt den Kopf hoch
und stellt ihn etwas schräg, ... die reinste Verspottung. Joan lässt die Hand
sinken. „Oh bitte“, fleht sie. Als nichts geschieht, wendet sie sich resigniert
zu Phil herum.
Dieser hat mit vor der Brust
verschränkten Armen einen Finger abwartend an den Mund gelegt. Letzterer
verzieht sich nun zu einem triumphierenden Grinsen. Joan zuckt im Angesicht
dessen ohnmächtig die Schultern. Als Phils Blick jedoch unvermittelt auf einen
Punkt hinter ihr abweicht und seine Gesichtszüge entgleisen, dreht sie sich
verwundert herum ... und traut ihren Augen kaum. Brix kauert friedlich im Gras.
„Ha“, ruft sie überrascht, um
sogleich einen übermütigen Freudensprung zu vollführen. Verzückt weist sie Phil
zu dessen sichtlicher Verärgerung mit dem Finger das Tier. „Er hat’s getan!
Sieh doch“, frohlockt sie lachend.
„Das war doch reine
Glückssache“, ruft er zerknirscht, was Joan ernst werden lässt.
„Du bist wahrlich ein
schlechter Verlierer, Philip!“
„Dann wiederhole es doch“,
erwidert er herausfordernd.
Joan
wendet sich zögerlich Brix zu, der ihrer erwartungsvoll harrt. „Du willst
gebeten werden, nicht wahr?“ Sie küsst ihm die Blesse an der Stirn und zieht
auffordernd an seinem Kopf. „Na komm wieder hoch.“ Brix springt auf und steht
wieder schnaubend vor ihr. „Brav. ... Und jetzt“, sie hält ihm erneut ihre
waagerechte Hand vor Augen. „Bitte runter, Brix“, befiehlt sie warmherzig. Als
sie die Hand senkt, gehorcht das massige Tier auf der Stelle. Joans Herz
vollführt einen Sprung. Siegessicher wendet sie sich zu einem ungläubig
dreinblickenden Phil herum, dem es die Sprache verschlagen hat.
Malcom
quittiert es mit gerunzelter Stirn, dass Phil die Verpflegung seiner Pferde
übernommen
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