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Die rote Farbe des Schnees

Die rote Farbe des Schnees

Titel: Die rote Farbe des Schnees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Holmy
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belustigtes
Kichern, kommt sich jedoch gleichsam etwas schäbig vor, ihn derart
auszuhorchen. Doch seine Bemerkung tut ihr irgendwie gut.
    „Nun ja. Wenn sie erfährt, dass
ich nun Knappe des Mannes bin, der auf ihre erste Nacht bestand, wird sie wohl
nichts mehr mit mir zu tun haben wollen.“
    „Vielleicht auch nicht“,
erwidert er vieldeutig. „Irgendwie kann ich Malcom verstehen. Ich hätte an
seiner Stelle wohl ebenso gehandelt.“
    Ihr fehlen die Worte.
    Er wendet sich etwas zur Seite
und blickt verträumt zum Mond und dem Sternenhimmel empor. „Als ich sie das
erste Mal sah, stand sie im Brautkleid in der Großen Halle. ... Ich dachte, es
zerreißt mir das Herz.“
    Langsam geht ihr auf, warum er
sich mit Jack abgibt. Offenbar hat er sich in sie verliebt, will Jack
vermutlich über Joan aushorchen. „Findest du nicht, sie hätte ein
Mitspracherecht verdient, wem sie sich das erste Mal hingibt? ... Und obendrein
als Tochter seines ehemaligen Dienstherrn“, empört sie sich. Und wohl völlig zu
Recht, wie sie meint. Denn selbst bei den in Adelskreisen üblichen arrangierten
Ehen geht bei der Verlobung das Einverständnis der Braut voraus.
    Phil jedoch zuckt die
Schultern. „Malcom konnte einer schönen Frau noch nie wiederstehen. ... Wer
kann das schon? ... Er hat die Gelegenheit genutzt.“ Er tätschelt ihr die
Schulter. „Wirst du später bestimmt einmal besser verstehen“, meint er
ernsthaft, worauf sie ein verächtliches Schnauben vernehmen lässt.
    „Wohl kaum. ... Macht er das
des Öfteren?“
    „Nein. Es war eine absolute
Ausnahme. Schließlich will er es sich nicht mit seinen Untergebenen
verscherzen.“
    Sie ist überrascht. Dann denkt
sie an Jacob. „Ihren Mann hat er jetzt jedenfalls zum Feind. Noch dazu, weil er
der Heirat nicht zustimmte.“
    Phil ist verblüfft, antwortet
jedoch nicht.
    Joan denkt an IHREN neuen Feind.
„Sag, welches Problem hat Nigel eigentlich mit mir?“
    „Ach.“ Phil winkt ärgerlich ab.
„Er ist im Grunde maßlos neidisch auf dich, da du Malcoms Knappe geworden bist.
Denn er wäre gern an deiner Stelle.“
    Joan versteht nicht. „Aber
wieso?“
    Phil wendet sich ihr zu. „Er
verehrt ihn. ... Du musst wissen, dass Malcom ein ausgezeichneter Krieger ist.
Er ist einer der Schwarzen Engel des Königs.“
    „Schwarze Engel?“
    „Ja. Oder Todesengel. Es gibt
einige Bezeichnungen für jene handvoll Ritter im Land, welche in einer Schlacht
allein mitten ins feindliche Heer reiten, um etwa den gegnerischen König oder
eine andere hochgestellte Person auszuschalten. Damit kann man eine Schlacht
ohne große Verluste gewinnen.“
    Joan traut ihren Ohren kaum.
„Aber weshalb geht er solch ein Wagnis ein? Das ist doch Irrsinn“, ruft sie
entsetzt.
    Er lacht. „Nun, er wird dafür
sehr großzügig bezahlt. ... Und er ist lebensmüde genug.“
    Sie runzelt die Stirn. „Wieso
sagst du das?“
    „Weil es stimmt. ... Seit seine
Familie bei zweien der zahllosen Schottenüberfälle auf die nördlichen
Grafschaften grausam ermordet wurde. ... Erst seine Eltern und Geschwister und
ein paar Jahre später seine junge Frau und ihre drei kleinen Kinder“, offenbart
er ihr.
    Sie ist schockiert. „Mein
Gott.“
    Eine Weile lauschen sie wortlos
den Geräuschen der Nacht. Joan denkt an Malcom und dass sie jetzt gerne bei ihm
wäre. Nun ist ihr auch klar, warum er sich so gut in sie hineinversetzen
konnte. Sie haben beide ihre Familien verloren.
    „Wo liegt denn sein
Familienstammsitz?“
    „In Northumberland. Direkt an
der Grenze zu Schottland.“
    Sie nickt verständig. Die
Borders waren schon immer ein unruhiger Landstrich, seit England und Schottland
miteinander im Krieg liegen. „Ist er der Erstgeborene?“
    Phil schüttelt den Kopf. „Aber
seine älteren Brüder starben damals bei dem Überfall, infolgedessen er die
Baronie erbte. ... Er war zuvor Soldritter des Königs und wurde nach der
Geschichte zum Lehnsmann.“
    Indem er
sich laut auf die ledernen Beinlinge seiner Oberschenkel schlägt, schreckt er
sie aus den Gedanken. „Genug der Schauergeschichten. Ich bin hundemüde“,
bekundet er und steht schwerfällig auf. Joan tut es ihm gleich. Auf leisen
Sohlen kehren sie zu ihren Schlafplätzen zurück. Die Glut des
heruntergebrannten Feuers funkelt ihnen entgegen.
    Joan steht
vor Brix und schimpft ihn aus. Es dämmert bereits, doch er verspürt noch immer
keine Lust, ihrer Anweisung Folge zu leisten. Viel Zeit bleibt ihr nicht mehr
und sie sieht sich schon die

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