Die rote Halle
nächsten Monaten wird sie noch viel plumper werden.
Doch aus irgendeinem Grund schreckt gerade das sie überhaupt nicht.
Denn ihr Körper vollbringt sein ganz eigenes Kunstwerk, ein Kunstwerk, an dem
Dave zwar entscheidenden Anteil hat, das er aber niemals selbst vollbringen
könnte, und mit einem leichten Schaudern denkt Janina daran, dass es nur eine
Situation gibt, in der sie sich nicht vor Dave schämt: im Bett, wenn sie ihm so
nah ist, dass er sie niemals im Ganzen, sondern immer nur in kleinen Ausschnitten,
in lebendigen Details sieht und entdeckt. Janina weiÃ, dass sie ein Nichts
neben ihm ist, unscheinbar, unwürdig. Doch all diese Verklemmungen und
Schamgefühle lösen sich in reines Begehren auf, wenn ihre Haut die seine
berührt, und sie weiÃ, dass er es auch so empfindet und dass er ebenso wie sie selbst
darüber staunt.
Janina sucht Daves Blick, als er mit Marianna am Fuà der Treppe
angekommen ist und die Glückwünsche der anderen Tänzer, der Assistenten und des
Bühnenbildners und aller anderen entgegennimmt, die zu diesem Triumphabend
geladen sind.
Alle Blicke hängen an ihm, jeder einzelne, und Janina spürt einen
Stich der Enttäuschung, weil anscheinend nur ihr es nicht gelingt, seine
Aufmerksamkeit zu erhaschen. Nicht, als sie bescheiden in der Nähe der
Terrassentür wartet, während er mit einem Grüppchen Bewunderer hinaus in die
laue Nachtluft tritt. Nicht, als er der jungen Tänzerin DeeDee galant die Hand
küsst, sie hinausbegleitet und nach zehn Minuten ohne sie wieder hereinkommt.
Auch nicht, als sie ihn bei der Toilette abpassen will, denn plötzlich ist er
von einer Schar schnatternder Gänse umringt, die sich ihre Tutus über die
Abendgarderobe gezogen haben und ihm nun lachend und kichernd ebenfalls eines
über den Kopf stülpen. Dave lacht, mimt für sie den sterbenden Schwan. Selbst
in dieser albernen Transvestitennummer ist er noch göttlich, und Janina lacht
mit. Doch ihre Blicke begegnen sich nicht.
Und nach über einer Stunde, in der Janina ihr halb volles Glas mit
sich herumschleppt, der Champagner ist längst warm und perlt nicht mehr, weiÃ
sie, dass er ihr ausweicht, und wieder spürt sie eine heiÃe Welle der Scham
über sich hinwegrollen. Natürlich weicht er ihr aus. Natürlich will er sich an
einem so wichtigen Abend nicht mit ihr zusammen in der Ãffentlichkeit zeigen.
Sie besitzt einfach nicht die nötige Leichtigkeit, im Gespräch ist sie
einsilbig, spröde, ohne Witz. Ihr Kleid besitzt nicht einen Bruchteil der
Eleganz der anderen anwesenden Frauen. Sie ist perfekt darin, andere Körper
einzukleiden und die ihnen eigene Magie zu unterstreichen. Nur sich selbst
möchte sie am liebsten immer nur verstecken.
Aber dies ist nicht nur Daves und Rosts und Mariannas Abend. Dies
ist auch ihr Abend. Sie hat ihm entgegengefiebert, hat sich ihm
entgegengefürchtet, um es ihm zu sagen, heute, unbedingt heute, wenn sie nur
mal für einen Moment, für ein paar Minuten nur, miteinander allein wären und
sie ein Fleckchen seiner Haut spüren könnte, damit sie nicht mehr solche Angst
hätte.
»Dave?«
Gerade redet er mit einem der Journalisten, dreht sich mit einem
dünnen Lächeln zu ihr um.
»Ich habe dir noch gar nicht zur Premiere gratuliert. Ihr ⦠du warst
groÃartig.«
»Danke, Jan.«
Er will sich schon wieder umdrehen, sie muss sich beeilen.
»Kann ich dich einen Moment allein sprechen? Es ist wichtig.«
Janinas Stimme bebt ein wenig, genau in dem MaÃ, das deutlich macht,
dass sie eine Ablehnung befürchtet, und weil sie ihn nicht berühren kann, nicht
hier, zwischen all den Leuten und vor den Augen eines Journalisten, steigt ihre
Aufregung noch.
»Es ⦠ich â¦Â«
»Wenn es wichtig ist, dann lass uns doch lieber morgen in Ruhe
miteinander reden. Heute geht doch eh nur alles durcheinander, ja?«
Er legt ihr, ganz leicht nur, einen Arm um die Schultern, Stoff auf
Stoff, denn Janina würde niemals wagen, schulterfrei zu tragen, und sie muss gegen
den Drang ankämpfen, seine Hand zu nehmen, ihre Wange hineinzuschmiegen, in
diese groÃe, immer warme, immer ein wenig zu raue Hand. Sie liebt seine Hände.
Und er liebt ihre. Janina nickt.
»Ja, na gut. Sicher.«
Dann steht sie neben ihm, unschlüssig, was sie tun soll. Sie kann
doch jetzt nicht weggehen, nicht unter seinen Blicken und denen
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