Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die rote Halle

Die rote Halle

Titel: Die rote Halle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Schmidt
Vom Netzwerk:
des
Journalisten, der sich wahrscheinlich fragt, ob sie geistig behindert ist, weil
sie in ihr mittlerweile speckiges Champagnerglas starrt, mit leichtem
Schwindel, schwankend.
    Und dann kommt Rost, um sie zu retten. Die große, birnenförmige
Figur taucht neben ihr auf, ein schwerer Arm legt sich um ihre Taille, und er
poltert los.
    Â»Da seid ihr ja! Sie sind Journalist?«
    Â»Radio Fritz, Remscher, sehr erfreut, Herr Rost.«
    Â»Gut, dass ich euch hier alle so zusammen habe, ich möchte nämlich
etwas sagen, das auch die Öffentlichkeit was angeht.«
    Er zwinkert Janina zu, dann Dave, und jetzt erst sieht Janina, dass
neben ihm, in seinen anderen Arm gehakt, Marianna mit ihm gekommen ist. Sie ist
so klein und zart, dass sie von Rosts ausladenden Formen vollständig verdeckt
gewesen war.
    Rost nimmt dem Journalisten den Füller weg und schlägt damit gegen
Janinas Champagnerglas.
    Â»Alle herhören!«
    Der Salon ist voller Leute, es wird geredet, gelacht, und doch
wenden sich ihm alle Köpfe schon nach der ersten, durchdringenden Aufforderung
zu.
    Â»Heute ist ein besonderer Abend für mich.«
    Beifälliges Nicken.
    Â»Ihr alle habt großartige Arbeit geleistet, ihr wart einfach toll.
Habt immer auf mich gehört, habt für mich getanzt und seid auf den kleinsten
Wink gesprungen, habt mir die Stiefel geleckt …«
    Gelächter.
    Â»Ihr habt eine affengeile Inszenierung hingelegt, über die man in
fünfzehn, ach was, in zwanzig Jahren noch sprechen wird. Ich wage zu behaupten:
Dieser Abend bedeutet für Marianna und Dave den Durchbruch. Ab heute seid ihr
zwei Stars!«
    Beifall, Pfiffe und Gejohle.
    Â»Kommt her, meine Süßen, lasst euch drücken!«
    Rost drückt erst Marianna und dann Dave an seinen Wanst, küsst Dave
einen kleinen Moment länger, als es anständig wäre, auf den Mund. Dann seufzt
er übertrieben theatralisch.
    Â»Dieser wunderwunderschöne Mann, seht ihn euch an! Ich könnte
heulen, denn ab heute gehört er nicht mehr mir.«
    Gespanntes Schweigen. Rost schüttelt mit gespielter Bekümmerung den
Kopf.
    Â»Das ist es, was ich euch mitzuteilen habe. Dieser Abend gehört
Marianna und Dave. Aber nicht nur, weil sie die besten Tänzer dieses Universums
sind. Sondern, weil sie sich heute Abend verlobt haben.«
    Rost macht eine weitere, wohlbedachte Pause, bevor er die Arme
hochreißt. Und brüllt:
    Â»Das junge Paar, es lebe hoch!«
    Tänzer, Bühnenarbeiter, Beleuchter, alles strömt herbei, um Dave und
Marianna zu umarmen und ihnen alles Gute zu wünschen. Die Bühnenjungs nehmen
die beiden auf ihre Schultern, tragen sie im Galopp einmal um den Salon herum
und werfen sie drei Mal in die Luft, alles ist ein Gröhlen und Lachen und
mischt sich mit den Bildern zu einem fahlen Brei. Und in Janinas Hand ist es
plötzlich heiß und eisig kalt zugleich, und als sie hinsieht, ist alles ganz
rot, und statt ihres Champagnerglases hat sie nur noch einen Stiel mit scharfen
Zacken in der Hand, und als sie die Hand öffnet, verwundert, dass sie gar
keinen Schmerz spürt, quillt ein blutiger Klumpen aus der Wunde, ein Stückchen
Gewebe, das sich von ihrem Körper trennt und mit einem kaum wahrnehmbaren
Geräusch auf den hellen Teppich fällt. Und dann schlägt ihr etwas mit einem
lauten Knall an den Hinterkopf, und Janina merkt, dass sie plötzlich die Leute
von unten sieht, lauter nackte, rasierte Frauenbeine. Und dann wird es schwarz.
    Â»Janina?«
    Rosts Stimme klang durchdringend. Hatte er sie schon einmal
angesprochen? DeeDee rüttelte Janina am Arm.
    Â»Los. Du bist dran.«
    Janina nickte, stand etwas fahrig von ihrem Stuhl auf und kletterte
auf die Bühne.
    Â»Hallo Leute, ich mache Regieassistenz und bin außerdem für eure
Kostüme zuständig. Ihr findet die Kostümabteilung im Bettenhaus. Erstes
Obergeschoss, ganz hinten links die drei Räume neben der Küche. Eine Besonderheit
wird es geben: Ihr werdet auf der Bühne zum Teil mit frischen Schweinehäuten zu
tun haben, auch direkt am Körper. HahNi und Annett möchte ich bitten, nachher
gleich zu mir heraufzukommen. Alle anderen Anproben werden aktuell mit der
Gesamtdisposition angeschlagen. Am Eingang der Kantine und oben beim Kostüm.«
    Damit stolperte Janina wieder von der Bühne herunter.
    Wie konnte Rost ihr das antun? Ausgerechnet Dave.
    Zuerst riss Janina alle Fenster

Weitere Kostenlose Bücher