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Die rote Halle

Die rote Halle

Titel: Die rote Halle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Schmidt
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auf, lehnte sich aus dem
letzten weit hinaus. Von rechts kam der Columbiadamm, von links der Tempelhofer
Damm, von beiden Seiten schoben sich die Wagen ruckweise vor. Und dann, am
Platz der Luftbrücke, wo sie sich trafen, war Schluss, es ging nicht vor und
nicht zurück. Ein gelber Lieferwagen mit einem rosa Fleischereischwein auf der
Seite schälte sich aus der Umklammerung des dichten Verkehrs und hielt vor dem
Eingang des Bettenhauses. Das würde der erste Schwung Häute sein, mit dem sie
probieren konnten.
    Janina ließ das Fenster geöffnet, lauschte auf das Rollen der
Wagentüren und auf den Straßenlärm, während sie das Bügelbrett aufstellte und
damit begann, die weiten, weißen Hosen für HahNi und Annett zu bügeln. Als sie
damit fertig war, nahm sie sich einige Stoffbahnen vor, die sie für Schnitte
vorbereiten musste. Zum Glück würde heute eine Praktikantin von einer
Modeschule kommen. Hoffentlich war sie nicht nur aufs Entwerfen getrimmt
worden, sondern konnte auch ein bisschen nähen. Vielleicht konnte sie ihr Dave
überlassen. Die Vorstellung, bei ihm Nähte abstecken zu müssen, ihn mit wenig oder
gar nichts am Leib vor sich zu haben, ihn berühren zu müssen, schreckte sie.
    Wie hatte Rost ihr das antun können? Er wusste es doch. Er hatte sie
doch unter seine Fittiche genommen, als Dave ihr das Herz gebrochen hatte. Er
hatte es verstanden, er war ja selbst in Dave verliebt gewesen.
    Wie er eben einfach an ihr vorbeigegangen war. Wie er sich auf die
Bühne gestellt hatte, eine Hand locker in die Hüfte gestützt, Standbein und
Spielbein gekreuzt, der Hals aufrecht und nicht ganz ordentlich rasiert. Eine
Statue, und er hatte, ebenso wie Rost, in die Runde gesehen, gelächelt. Sein
Blick hatte ihren Blick getroffen, so viele Jahre später, und dann. War er
einfach weitergewandert. Zu DeeDee, die ihm mit einer kleinen Geste zuwinkte,
und er winkte zurück, mit einem leuchtenden Augenzwinkern und seinem Klaviertastengrinsen.
Sie hatte Dave erfolgreich aus ihren Gedanken verbannt, hatte ihn all die Jahre
nicht gesehen. Und als er vorhin vor ihr auf der Bühne gestanden hatte, war ihr
schlagartig klar geworden, wie ähnlich Simon ihm sah, nein, wie haargenau
gleich die beiden waren. Sie würde es keinesfalls verheimlichen können.
    Â»Mam, bist du hier?«, rief es vom ersten Raum her.
    Janina merkte, dass sie hinter ihrem Bügelbrett in eine Art
Schockstarre verfallen war, während sie gegrübelt hatte. Nun nahm sie das
Bügeleisen wieder auf, fuhr energisch damit über den Stoff.
    Â»Hier hinten, im dritten Raum!«
    Â»Mann, sorry. Ich habe voll verschlafen.«
    Simon kratzte sich am Kopf, vorsichtig, damit der glänzende
Haarschopf nicht verrutschte. Er hatte die Haare offenbar heute früh frisch
gefärbt und war auch sonst sehr gründlich zurechtgemacht. Er musste seit
mindestens zwei Stunden wach sein.
    Janina machte eine wegwerfende Handbewegung.
    Â»Ich habe ja gestern auch verschlafen. Das ist der Jetlag.«
    Simon fing an, zwischen den Blusen und Trikots auf dem
Kleiderständer rumzuschauen und fragte vorsichtig:
    Â»Wie war es mit Josef?«
    Janina hob die Schultern. »Er sieht mies aus. Krank.«
    Â»Hat er …«
    Â»Nach dir gefragt?«
    Simon sah Janina nicht an, darum genügte ein Kopfschütteln nicht.
Sie musste es aussprechen.
    Â»Nein, Simon. Er ist bereits zu einhundert Prozent in seine
Inszenierung eingetaucht. Wir haben über gar nichts Privates gesprochen.«
    Simon nickte und fummelte weiter zwischen den Kostümen herum.
    Â»Hast du dich wegen ihm so aufgebrezelt heute?«
    Â»Ach, Quatsch!«
    Janina seufzte. »Hör mal, kannst du mal eben für mich runtergehen,
da müsste was für mich geliefert worden sein. Und kannst du mir im KBB den
Fittingplan neun Mal ausdrucken?«
    Sie reichte Simon einen USB-Stick, den sie aus der Hosentasche zog.
    Simon drehte den Stick zwischen den Fingern und nickte.
    Â»Wieso neun?«
    Â»Sieben Tänzer, Rost, ich.«
    Â»Okay.«
    Simon schleppte schwer an dem blauen Plastiksack, den er
sich über Rücken und Schulter geworfen hatte. Er knallte ihn vor Janina auf den
Zuschneidetisch und schüttelte sich.
    Â»Das fühlt sich an! Voll pervers.«
    Janinas Magen zog sich leicht zusammen bei der Vorstellung, was in
dem Sack war.
    Â»Los, mach mal auf«, forderte Simon sie auf.
    Janina griff

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