Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die rote Halle

Die rote Halle

Titel: Die rote Halle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Schmidt
Vom Netzwerk:
einfach guttat, jemanden zu
haben, der in freundschaftlicher Vertrautheit von sich erzählte, jemanden, mit
dem sie keine uralte, verquere Beziehung verband. Jemanden, mit dem sie
vielleicht ein neuer Anfang verband.
    Als DeeDees Handy klingelte, fühlte Janina sich beinahe froh und
zuversichtlich. Sie würden das zusammen schon durchstehen.
    Â»Meister Rost hat gerufen«, sagte DeeDee, während sie das Handy
wegsteckte. »Er braucht wohl den Rat einer weisen Frau.«
    Sie zwinkerte, küsste Janina zum Abschied auf beide Wangen, blickte
ihr noch einmal fest in die Augen, und dann verschwand sie Richtung Flughafen.
    Janina blieb mit der Schuhtüte, dem halb aufgegessenen Kuchen, ihrem
unangetasteten Sekt und der Rechnung allein sitzen.
    Â»Na dann. Prost«, sagte sie zu sich selbst und hob schwungvoll ihr
Glas. Der Sekt, den sie sich dabei über die Hand und in den Ärmel kleckerte,
war klebrig und zu süß.
    Janina seufzte. Bald begann die Nachmittagsprobe, und Rost würde die
Schuhe und die Schweinehaut haben wollen. Sie zahlte und wandte sich nach links
dem Südstern zu, tippte im Gehen auf die Kurzwahltaste für Simons Handy und
wartete.
    Der Teilnehmer ist nicht erreichbar.
    Als DeeDee endlich erschien, hatte Rost den vierten oder
fünften doppelten Whiskey vor sich stehen, so genau wusste er das nicht mehr,
jedenfalls hatte er einfach nicht mehr die Selbstbeherrschung, es ihr schonend
beizubringen. Er wartete nicht mal, bis sie saß und bestellt hatte.
    Â»DeeDee, ich nehme dir die Rolle des Mädchens weg.«
    Die Narben um ihr Auge zuckten, und Rost fühlte, wie sein eigenes
Auge wie zur Antwort ebenfalls zu zucken begann, was ihn zum Lachen reizte. Er
hielt die Luft an, und für einen Moment verließ er seinen Körper, schnellte
nach oben unter die Decke. Das sah wirklich zu bescheuert aus, wie diese beiden
Figürchen da unten einander mit zuckenden Äuglein anstarrten. Rosts Brustkorb
fing an zu beben, und dann platzte das Lachen aus ihm heraus. Es sah aus, als
ob er dabei eine gigantische Sauerei auf dem Tisch vor sich anstellte. Blut,
Knochensplitter. Zu schade, dass er so was nicht auf die Bühne bringen konnte.
    Â»Ein explodierendes altes Schwein!«, stieß er hervor. Rost konnte
kaum noch an sich halten vor Lachen.
    Â»Wie bitte!?«
    Â»Auf der Bühne …«
    Â»Das kannst du nicht tun. Ich arbeite seit fast sechzehn Jahren auf
diesen Moment, auf diese Rolle hin. Darauf, mit Dave aufzutreten, unter deiner
Regie. Ihr beide habt es mir versprochen. Und dieses Stück ist mein Leben,
Josef. Nur deswegen habe ich durchgehalten nach dem Unfall.«
    Tränen glänzten in DeeDees Augen. Das war natürlich zu erwarten
gewesen.
    Â»Wenn du mir das Mädchen jetzt wegnimmst, ziehe ich das Stück
zurück«, flüsterte sie.
    Dieses Zischeln und Flüstern der Konsonanten erzeugte ein seltsames,
rieselndes Gefühl in Rosts Gehirn.
    Â»Dann kannst du dir deine große Abschiedsinszenierung in den Hintern
schieben.«
    Die Narbe, der hängende Mundwinkel, das Lächeln. Rost schauderte.
Sie sah wirklich zum Fürchten aus. Einfach großartig. Sie war perfekt für ihre
Rolle. Er hätte sich für seine nächsten Worte auch gleich selbst kastrieren
können, aber es musste sein.
    Â»Ich brauche dich, DeeDee, ich brauche deine absolute Loyalität.
Dieses eine, letzte Mal. Dave hat eine Tänzerin mitgebracht. Sie ist einfach
besser für die Rolle. Das ist nicht gegen dich, du bist die beste lebende
Komponistin auf diesem Planeten. Aber du bist eine miese Tänzerin, schon immer gewesen.
Und das weißt du auch. DeeDee …«
    Weiter kam er nicht, weil sie ihm seinen Whiskey ins Gesicht
schüttete. Seine Augen brannten wie Feuer.
    Â»Verräter!«
    Sie stand auf, zerrte ihren Gehstock unter dem Tisch hervor und hob
ihn über den Kopf. Rost sah fasziniert zu. Sie würde ihn schlagen! Damit hätte
er nicht gerechnet. Reflexartig hob er einen Arm vors Gesicht, als sie
ausholte. Doch ihr Schlag ging über den Tisch, riss die Wasserkaraffe um und
schleuderte Rosts Glas durchs Eldorado .
    Â»Schwein!«
    Das war eine gute Idee mit dem Schwein, ja, und er nickte. Rost war
sich sicher, dass ihr zweiter Hieb ihn treffen musste, aber dann war der
Barkeeper hinter ihr, packte ihr Handgelenk und entwand ihr den Stock.
    Â»Wenn Sie jetzt bitte das Lokal verlassen würden?«, sagte er

Weitere Kostenlose Bücher