Die rote Halle
Knien
landet. Und dann sieht sie das Blut. Auf dem blütenweiÃen Bühnensofa. Viel
Blut.
»Und er hat dich echt nicht wiedererkannt?«
Janina putzte sich die Nase und schüttelte den Kopf.
»Ist ja auch kein Wunder. Damals habe ich noch in seine Kostüme
gepasst.«
DeeDee seufzte und tätschelte tröstend Janinas Arm.
»Und dann noch Josef Rost, der sich benimmt, als ob er kurz vor dem
Durchdrehen ist. Er hat Simon beschimpft, weiÃt du?«
DeeDee sprach ganz ruhig.
»Und? Ist Simon Daves Sohn?«
Janina hörte schlagartig auf zu weinen. War das wirklich so
offensichtlich?
»Er hat die gleiche Nase. Und dasselbe Lächeln. Das lässt sich
schlecht verstecken. AuÃerdem passt so was zu Dave. Ich meine, Kinder in die
Welt zu setzen und die Mutter nicht wiederzuerkennen.«
In Janina machte sich ein neues Unbehagen bemerkbar. Bisher waren
sie und Rost die einzigen Menschen gewesen, die wussten, dass Dave einen Sohn
hatte. Und das sollte auch so bleiben, Janina konnte jetzt keine demütigende
und für Simon belastende Familienzusammenführung gebrauchen.
Jetzt begriff sie auch, warum Josef Rost Simon hier weg haben
wollte. Simon wurde langsam erwachsen, und Rost hatte mit Sicherheit auch
gesehen, was immer offensichtlicher wurde. Er wollte vielleicht einfach nicht
riskieren, dass Dave während seiner heiligen, allerletzten Inszenierung seine
Vaterschaft entdeckte, denn das würde möglicherweise alles
durcheinanderbringen. Rost wollte ebenso wenig wie Janina, dass es herauskam.
»Du darfst es ihm unter keinen Umständen sagen. Bitte!«
DeeDee schüttelte verwundert den Kopf.
»Wirklich verrückt. WeiÃt du, ich hatte zur selben Zeit eine Affäre
mit Dave wie du. Auch damals, während der Cenerentola .
Wir hatten sogar einen Dreier mit ⦠na, ist ja egal.«
DeeDee zwinkerte Janina zu, die sie mit offenem Mund anstarrte.
»Aber â¦Â«
DeeDee nahm einen Schluck von ihrem Kaffee und verzog angewidert das
Gesicht.
»Kalt geworden. Dave hat gerne Leute befriedigt. Er war nicht
wählerisch, weiÃt du. Hässlich, hübsch, dick, dünn, männlich, weiblich. Er war
groÃartig. Er war der beste Liebhaber, den ich je hatte.«
Janina wartete darauf, dass diese Offenbarung sie schockierte, dass
vielleicht ihr Herz stehen blieb oder der Schmerz sie übermannte. Stattdessen
spürte sie eine leichte Erregung. Der Gedanke an Dave. Wie sie mit ihm ⦠nein!
Das war damals, und damals hatte er ihr das Gefühl gegeben, sie sei
die Einzige. Er hatte ihr vorsätzlich vorenthalten, wer er wirklich war. Wie er
wirklich war. Wahrscheinlich, weil er wusste, dass sie ihn liebte.
»Ich glaube, es wäre wirklich besser, wenn Simon sich von der
Inszenierung fernhält«, sagte Janina leise. »Da ist so viel schiefgelaufen. Mit
uns und Josef Rost, und mit Dave. Warum sollte er sich das reinziehen müssen?
Ich hätte ihn in Kanada lassen sollen. Er ist glücklich dort ⦠und jetzt sitzen
wir hier in so einem Chaos fest.«
DeeDee legte noch einmal den Arm um Janinas Schultern, und diesmal
war es ihr nicht mehr peinlich.
»WeiÃt du was, er kann doch Berlin kennenlernen, er muss doch gar
nicht die ganze Zeit bei uns am Flughafen rumhängen. Mach dir nicht so viele
Sorgen, ich passe einfach ein bisschen mit auf ihn auf, und wir achten zusammen
drauf, dass er Rost und Dave nicht in die Quere kommt.«
Janina nickte. Obwohl ihr DeeDee am Anfang etwas seltsam erschienen
war, ein wenig egozentrisch und divenhaft, erkannte sie jetzt, dass sie in
Wirklichkeit nett und hilfsbereit war. Sie fing an, diese schiefe, dünne Frau
zu mögen.
»Danke, DeeDee. Ich weià das wirklich zu schätzen.«
DeeDee winkte ab und holte ihre Kamera wieder heraus.
»Zeig mir ein Lächeln, ja?«
Janina gab sich Mühe, warf sich sogar ein wenig in Pose, und für
einen Moment, bei dem Gedanken, dass Dave sich nicht darum scherte, wie jemand
aussah, machte es ihr sogar SpaÃ. Ob sie ihn wohl immer noch haben könnte? Ob
er wohl immer noch so war?
Und dann bestellte DeeDee zwei Gläser Sekt.
»Wir müssen doch unsere Verbündung gegen den Irrsinn der Männer
begieÃen, oder?«
DeeDee trank ihr Glas mit drei groÃen Schlucken aus. Sie plapperte
vor sich hin und erzählte Janina wilde Geschichten von früher, denen sie nur
halb folgen konnte, aber das machte nichts, weil es
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