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Die rote Halle

Die rote Halle

Titel: Die rote Halle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Schmidt
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sehr
freundlich.
    Als DeeDee sich nicht rührte, stand von der Bar ein Mann auf. Ein
großer, gutmütig aussehender Kerl mit wenig Bauch und viel Schultern. Ein
Wikinger. Er zog eine Polizeidienstmarke heraus.
    Â»Ich glaube, es ist wirklich besser, Sie gehen jetzt. Ich begleite
Sie hinaus«, sagte er und fasste DeeDee am Ellenbogen.
    Â»Das verzeihe ich dir nicht, Josef Rost.«
    Dann ging sie mit, doch der Blick, den sie Rost daließ, würde ihn
immer noch töten können, wenn er nicht aufpasste.
    Â»Brauchen Sie Hilfe, ist alles okay?«, fragte der Barkeeper.
    Rost winkte ab, klammerte seinen Geist notdürftig wieder am Körper
fest und verließ das Eldorado . Zeit für die
Nachmittagsprobe.
    Das ist viel zu leicht gewesen, überlegte Simon. Es konnte
doch nicht sein, dass er mitten am Tag den kompletten Schlüsselsatz für den
gesamten Flughafen klaute und niemand es bemerkte, ihm folgte, ihn aufhielt.
    Aber er war und blieb allein, egal, wie viele Türen er aufschloss,
wie viele Aufzüge er hoch- und runterfuhr, wie viele Treppenhäuser, die immer
noch im Rohbau waren, er hinauf- und hinunterrief:
    Â»Hallo? Ist da wer? Hallooo!«
    Gelegentlich stieß er auf Türen, an denen Firmenschilder angebracht
waren. Für die fand er keine Schlüssel an seinem Bund. Aber Filmfirmen,
Eventcenter und ähnliches Zeug interessierten ihn auch nicht. Er wusste zwar
nicht mit Sicherheit, was ihn stattdessen interessierte. Aber was er tat, war
immerhin aufregend.
    Inzwischen hatte er herausgefunden, welche Farben an den Schlüsseln
zu welcher Sorte Türen gehörten: Grün für die Bereiche, die für Besucher
zugelassen waren, Rot für Zonen, die im Rohbau stecken geblieben, baufällig
oder halb zerstört waren. Gelb für technische Einrichtungen. Grau für
Treppenhäuser.
    Das Treppenhaus, das er jetzt hinunterging, war vergleichsweise
schmal, es gehörte offensichtlich nicht zu denen, in denen sich Massen von
Fluggästen hinauf- und hinunterbewegen sollten. Es endete auf einem
Zwischenstockwerk, die Decke war so niedrig, dass er den Kopf einziehen musste.
Seltsamerweise war hier im Fußboden ein ganz normales Sprossenfenster
eingelassen, durch das man nach unten in eine Halle voller Lärm und Rohre
blicken konnte. Simon verspürte den Impuls, über dieses Fenster zu gehen,
einfach in das dünne Glas hineinzutreten, aber die Vorstellung, wie lange,
spitze Scherben ihm die Beine zerschnitten, hielt ihn davon ab.
    Er erreichte ein weiteres, noch engeres Treppenhaus und von dort aus
die Halle mit Hunderten von gekrümmten und ineinander verschlungenen Rohren,
Ventilrädern, Thermostaten, Druckmessern und Kabeln, die er durch das Fenster
im Fußboden gesehen hatte. Eine weitere Tür führte in einen Raum mit
meterhohen, rostigen Kesseln. Er war gekachelt, die Kacheln mit Rostspuren und
schwarzem Schimmel befleckt, und es hing ein durchdringend scharfer Geruch in
der Luft. Von hier aus führte eine Treppe aus Metallrosten noch tiefer hinab,
es wurde immer wärmer, stickiger, und dann stand er wieder in einem dieser
gekrümmten Gänge, deren Enden man nicht sehen konnte.
    Ein Thermometer neben dem Zugang zeigte 43° Celsius, an den Wänden
links und rechts und an der Decke liefen Rohre entlang. Manche waren so dick,
dass ein kleines Kind darin Platz hätte, andere waren so dick wie Arme und
Beine, manche hatten bloß den Durchmesser einer gut durchbluteten Aorta. Simon
fühlte sich, als sei er im Innern eines gewaltigen Körpers, die Hitze trieb ihm
Schweiß auf die Stirn, und das Rauschen in den Rohren gab ihm das Gefühl, halb
taub zu sein. Es war phantastisch!
    Simon entschied sich für rechts. Er ging, langsam und bedächtig
zuerst, die Hände auf die Rohre gelegt, die alle unterschiedliche Temperaturen
hatten, Anzeigen ablesend und Ventilräder ehrfürchtig berührend. Was würde wohl
passieren, wenn er an einem davon drehte? Würde irgendwo die Heizung an- oder
ausgehen? Oder würde irgendetwas explodieren und Schwaden von kochendem Dampf
ausstoßen?
    Der Tunnel schien kein Ende zu nehmen. Wie tief unter der Erde
mochte er hier sein? Simons Schritte wurden schneller, er fiel schließlich in
einen leichten Trab, und immer noch war kein Ende des Tunnels in Sicht.
    Nach einer Ewigkeit, wie es ihm vorkam, blieb er bei einer
Einbuchtung stehen, außer Atem und mit dem surrealen

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