Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die rote Schleife

Die rote Schleife

Titel: Die rote Schleife Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: edition zweihorn GmbH & Co. KG
Vom Netzwerk:
in dem Sinne noch lange nicht. Es schwammen halt diese lästigen und verdammten Viren in seinem Blut umher. Deswegen musste er regelmäßig zur Kontrolluntersuchung und über kurz oder lang würde er auch Medikamente einnehmen müssen. Denn Aids bekommen durfte er nicht.
    „AIDS“ gab Maximilian in die Suchmaschine ein. „Acquired Immune Deficiency Syndrome“, die Übersetzung „erworbenes Immundefektsyndrom“ war gleich mitgeliefert. Der Körper konnte sich im geschwächten Zustand einfach nicht mehr gegen Krankheitserreger wehren, die bei gesunden Menschen harmloswaren. Aber danach suchte Max eigentlich nicht. Er wollte immer noch wissen, wofür die Rote Schleife stand.
    In dem Feld darunter sah er einen Link: www.wir-haben-die-schleife.de . Nach einem Klick wurde die Seite eines Forums geladen. Maximilian spürte ein Kribbeln in seiner Magengrube. Dass er nicht schon früher auf diese Idee gekommen war. Hier konnte er sich anonym mit Gleichgesinnten unterhalten, hier würde er erfahren, wie andere mit HIV und Aids umgingen, wie sich ihr Alltag gestaltete und wem sie sich anvertraut hatten.
    Geschwind meldete sich Maximilian unter dem Nicknamen „PositivM“ an. Ein Forumstitel fiel ihm sofort ins Auge: „Was ich Positives mit HIV verbinde“. Aufmerksam las Maximilian die Zeilen.
    „Mit HIV bin ich schwerbehindert, da habe ich bessere Jobchancen.“
    „Dank der Medikamente, die ich einnehmen muss, mache ich Manager und Pharmaindustrie reich!“
    Maximilian schüttelte den Kopf. Das konnten die doch nicht ernst meinen. Er wollte wirkliche Argumente hören. Gründe, die alles erträglicher machen konnten. Aber er konnte kein einziges Argument finden. Keines, das ihn überzeugen konnte. Vielleicht war es ihm später möglich, sein Leben bewusster wahrzunehmen, aber dem HI–Virus dankbar sein, das konnte er sich beim besten Willen nicht vorstellen.
    Schließlich huschten seine Finger über die Tastatur: „Habe mal ’ne Frage: Wie habt ihr euchangesteckt?“
    Es dauerte nur wenige Sekunden, da kam schon die erste Antwort von „Retrovir“: „Hey PM, biste neu?“
    „Jep.“
    „Biste wirklich positiv oder was machst du hier?“
    Maximilian kratzte sich am Kopf. War das hier ein Verhör? „Nee, bin sozusagen neu positiv. Und kann das alles noch nicht begreifen.“
    „Schau dich mal hier um, da kannste vielleicht ein paar Fragen loswerden. Bist du homo?“
    „Nein!“
    „Ich schon, war früher aber so ängstlich und wollte es um jeden Preis verschleiern, dass ich nur in Dark Rooms unterwegs war. Da habe ich mich schließlich angesteckt!“
    Maximilian hatte keinen blassen Schimmer, was Retrovir mit Dark Room meinte. Dunkles Zimmer. „Das verstehe ich nicht. Was meinst du mit Dark Room?“
    „Bist wohl noch ’n Greenhorn, was? Da trifft man sich halt im Dunkeln, da pimperst du mit jemandem, den du nicht sehen kannst und der dich auch nicht sieht. Aus Scham sozusagen, weil du dir nicht eingestehen willst, dass du vom andern Ufer bist. Wenn du ihn auf der Straße triffst, dann weiß er halt nicht, dass er es vor zwei Tagen mit dir hatte und kann dich auch niemals nicht verpfeifen. Ganz einfach ist das. Aber daher weiß ich auch nicht, woher ich diesen Scheiß hab!“
    Maximilian schluckte. Die Vorstellung ließ seinen Hals ganz trocken werden. So was gab’s? Wohl nur in einem schlechten Buch. Maximilian schriebkeine Antwort, so gebannt las er immer wieder diese Worte.
    „Hey PM, noch da? Wo hast du denn diese kleinen Kuscheltiere im Blut her?“
    „Blöde Party, Alkohol und dann so was wie ein One–Night–Stand.“
    „Bei HIV ist das ganz einfach. Du wirst das niemals wieder los. Gott sei Dank gibt es diese Pillen. Aber so dolle ist das auch nicht immer, kann ich dir sagen. Geh mal zur Arbeit und wenn’s mittags in die Kantine geht, erklär deinen Kollegen mal, warum du einen Megacocktail an Tabletten einnehmen musst! Die ersten Tage kannst du dir vielleicht noch was aus dem Kreuz leiern, aber dann wird’s schwer. Und übel wird mir auch ständig davon.“
    So langsam wurde Maximilian auch übel von dem, was Retrovir da schrieb. Irgendwie hatte er sich immer vorgestellt, dass dank moderner Medizin auch HIV nur halb so wild wäre. Langsam aber schwante ihm, dass die Realität ihn noch bald genug einholen und eines Besseren belehren würde. Ein Leben mit HIV war ein anderes Leben. Sein neues Leben.
    Mit einem weiteren Klick schloss Maximilian das Fenster. Die Bedeutung der Roten Schleife würde

Weitere Kostenlose Bücher