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Die rote Schleife

Die rote Schleife

Titel: Die rote Schleife Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: edition zweihorn GmbH & Co. KG
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erwartete sie, dass sie sich jederzeit öffnen und man sie bei etwas Verbotenem erwischen würde. Dennoch, jede Minute, die sie weniger warten musste, war eine Minute gewonnene Lebenszeit. Gefühlte Stunden, vielleicht Jahre oder Jahrzehnte, je nachdem, was sie erfuhr.
    Sie hielt die Karte fest in ihrer Hand. Die Karte verriet ihr, dass sie zitterte. Ihre Hände hinterließen einen schmierigen Film an den Stellen, an denen sie sie angefasst hatte. Oben links war ihr Name mit einer Nummer auf einem Etikett. Darunter ein Feld mit einem handschriftlichen Eintrag, den sie nicht lesen konnte. Dorothee klappte die Karte auf. Ein paar lose Zettel lagen darin. Ganz oben las sie in fetten Buchstaben: Labor Dr. Maier. Das musste es sein. Mit ihren zittrigen Händen gelang es ihr kaum, das Papier ordentlich herauszubekommen. Die Karte glitt ihr aus der Hand und die Zettel verteilten sich auf dem Boden. „So ein Mist“, murmelte Dorotheeleise und bückte sich, um alles schnell aufzusammeln. Da hörte sie Schritte auf dem Flur. Ein kurzes Innehalten. Jemand lachte auf. Zwei Menschen, die sich verabschiedeten. Jetzt musste sie schnell sein, bevor jemand ins Zimmer kam. Ohne auf Ordnung zu achten, legte sie die Blätter übereinander, schob sie in die Karte und warf sie auf den Tisch. Die Türklinke bewegte sich genau in dem Moment, in dem sich Dorothee auf ihren Stuhl zurückfallen ließ.
    Frau Dr. Scherlein trat ein. Ihr weißes T–Shirt hatte sich faltig über den Bauch gelegt. Nach einer freundlichen Begrüßung nahm sie auf ihrem Stuhl Platz und blätterte die Papiere in der Karte durch.
    „Seltsam, alles ist hier durcheinander“, sagte sie, ohne aufzuschauen. Dorothee schluckte. Sie fühlte sich ertappt. Ihr Magen zog sich zusammen. „Da haben wir es ja.“ Endlich, dachte Dorothee, jetzt halt mich nicht so lange hin.
    Frau Dr. Scherleins Stirn hatte sich in Falten gelegt, während sie das Ergebnis las. Mit einem Mal entspannte sich ihr Gesicht. „Für den Anfang hast du Glück gehabt! Dein Test ist negativ.“
    Dorothee atmete erleichtert aus. Ein großer Stein, nein, ein ganzer Gebirgszug fiel ihr vom Herzen. „Aber leider ist es für eine Entwarnung zu früh“, setzte Frau Dr. Scherlein fort.
    „Wie meinen Sie das?“ Dorothee schluckte unwillkürlich.
    „Weißt du noch, was ich dir am Freitag erzählt habe? Der Test gilt erst dann endgültig alsnegativ, wenn drei Monate vergangen sind. Wann hast du zuletzt mit Max geschlafen?“
    Dorothee ging die letzten Wochen im Kopf durch. Max war schon länger krank gewesen, es musste mindestens zwei Wochen her sein.
    „Also, du kannst jetzt etwas erleichtert nach Hause gehen, aber wir müssen den Test in drei Monaten wiederholen. Erst wenn er dann auch negativ ist, bist du überm Berg.“
    „Sie meinen ...“, aber Dorothee sprach nicht weiter.
    „Leider ja“, beantwortete Frau Dr. Scherlein Dorothees unausgesprochene Frage. „Du kannst dich angesteckt haben. Wenn ihr keinen Safer Sex hattet, dann ist es leider immer noch möglich, dass wir beim nächsten Mal ein anderes Testergebnis bekommen. Aber jetzt steck nicht den Kopf in den Sand. Ich finde, es ist eine ermutigende Nachricht, dass du dich bisher noch nicht angesteckt hast. Ab jetzt ist natürlich höchste Vorsicht angebracht. Nur noch Safer Sex. Beim nächsten Mal weißt du ja Bescheid. Ein Test vorher kann so viel Kopfzerbrechen und unnötige Sorgen vermeiden.“
    Dorothee wusste nicht, ob sie jemals wieder mit Maximilian schlafen konnte. Selbst wenn sie am Ende doch positiv sein sollte. Und wenn der Kelch an ihr vorüberging, dann sicher nicht. Bei jedem Mal wären ihre Gedanken doch nur bei der Frage, ob sie sich anstecken konnte oder nicht. Was, wenn das Kondom verrutschte oder es sogar zerriss? Sie fragte sich, ob sie
    Maximilian nachherüberhaupt küssen würde. Obwohl sie wusste, dass man sich durch Küssen nicht anstecken konnte.
    Mit gesenktem Haupt verließ sie schließlich die Praxis. Irgendwie hatte sie sich mehr Erleichterung erhofft. Aus drei Tagen Warterei waren nun drei Monate geworden. Es schien ihr unmöglich, diese Zeit zu überstehen. Sie würde doch mit ihren Eltern reden müssen.

8.
    „Max, kannst du bitte schnell noch mal ins Haus? Ich habe meine Handtasche vergessen.“ Der Motor hatte beim Anlassen des Wagens kurz gestottert, surrte jetzt aber friedlich vor sich hin. Maximilian schnallte sich ab, sprang vom Beifahrersitz aus dem Wagen und lief die Stufen zur Haustür hoch. Er wollte

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