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Die Rote Spur Des Zorns

Die Rote Spur Des Zorns

Titel: Die Rote Spur Des Zorns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Spencer-Fleming
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himmlisch weichen Sofas und Sesseln statt der strengen Eleganz des Wohnzimmers. Bücherschränke, hauptsächlich gefüllt mit Fotos und bedeutend aussehenden Keramiken, standen an den Wänden. Das hier, folgerte Clare, musste die so genannte Bibliothek sein. Peggy Landry gehörte nicht zu den sieben oder acht Personen, die die verfügbaren Sitzgelegenheiten einnahmen, aber dafür entdeckte Clare Peggys Neffen, Malcolm Wintour. Heute Abend sah er sogar noch besser aus als bei ihrer Begegnung am Montagvormittag. Er wirkte jünger, gelöster, und sein honigblondes, glänzendes Haar fiel formvollendet zu beiden Seiten seines Gesichts herab. Einen Moment glaubte sie den Geist ihrer Schwester Grace neben sich zu spüren. Sie, die schöne Jungen immer geliebt hatte, seufzte und sagte: Eine Schande, dass er schwul ist …
    Der Getränkekellner kam vorbei. Clare stellte ihr leeres Glas ab und griff sich ein neues. Dann marschierte sie zu Malcolm, der plaudernd mit zwei anderen Gästen zusammenstand. Die eine war eine junge Frau, deren Aufmachung besagte: »Meine Sachen sind beim Waschen alle eingelaufen«; der andere ein Mann, vielleicht ein paar Jahre älter als Clare und mit kurzen, an den Schläfen ergrauenden Haaren.
    »Malcolm? Hallo, schön, Sie wiederzusehen. Wundervolle Party.« Malcolm lächelte matt, und sein Gesicht zeigte den Ausdruck von jemandem, der sich nicht erinnern kann. »Hi, ich bin Clare Fergusson.« Ihren Titel unterschlug sie mit Absicht. Sie trug heute ein Ensemble, das sie bei der Quizmasterin von Der Schwächste fliegt gesehen hatte: streng geschnittene Seidenhose und dazu passendes langes Jackett mit einem Dutzend kleiner Textilknöpfe, die in Reih und Glied zu einem hohen steifen Kragen hinaufwanderten. Als sie sich Lois darin präsentiert hatte, meinte diese, Clare sehe aus wie eine Mischung zwischen Jesuitenpriester und Domina. Vielleicht, dachte sie, hatten die Leute hier im Zimmer ja nichts gehört, als Diana und Cary sie vorstellten. Sollten sie selbst herausfinden, ob Clare eine Nonne oder eine Zuchtmeisterin war.
    »Hi«, antwortete die junge Frau und reichte ihr schlaff die Hand. Clare wartete einen Atemzug lang, aber offenbar wollte die andere das Stichwort nicht aufgreifen und sich vorstellen.
    »Hugh Parteger.« Der Mann gab ihr seinerseits die Hand. Überraschenderweise sprach er mit britischem Akzent.
    »Das schreibt sich nicht zufällig mit Ypsilon?«
    »Keinem einzigen.« Er lächelte, und Grübchen traten auf beide Wangen. Süß , rief Grace innerlich. Es war als Ratschlag gemeint.
    »Ich versuche gerade, mich zu erinnern … Sind Sie die Floristin?« Malcolms Stimme hörte sich schief an, so als käme sie von irgendwo anders als aus seiner Kehle. Clare musterte ihn genauer. Offensichtlich hatte er sich ein bisschen zu viel genehmigt. Kir royal oder sonst etwas.
    Sie nippte an ihrem eigenen Glas. »Falsch. Ich mag Blumen so gern wie jeder, aber ich kann keine Dahlie von einem Gänseblümchen unterscheiden.«
    »Oder keine Lupine von einer Lobelie?«, sagte Hugh Parteger.
    »Oder keine Nelke von einer Chrysantheme.«
    »Demnach machen Sie sich nichts aus Beeten«, meinte er.
    Clare prustete vor Lachen, sodass sie fast ihren Kir royal ausgespuckt hätte. Malcolm und das fremde Mädchen schauten sie verdutzt an. Clare schüttelte den Kopf. »Mr. Parteger, was ich in meinem Beet mache, geht niemanden etwas an.«
    »Warum die falsche Scham?«, erwiderte er. »Bei den meisten Frauen ist es nur eine Frage des richtigen Geräts.«
    Clare nahm sich ein neues Glas und amüsierte sich königlich.
    Das Mädchen murmelte Malcolm etwas zu, der sich daraufhin im Zimmer umsah. »Ja, aber man muss erst mal eines finden, das passt und wirklich funktioniert! Besser, man bleibt bei der guten alten Handarbeit. Macht auch weniger Komplikationen.«
    »Ah, Sie sind ja eine Gartenexpertin!«
    Clare kicherte. Wirklich zu albern. Und peinlich! Sie nahm wieder einen tiefen Schluck aus ihrem Glas. »Wie schon Voltaire gesagt hat: Wir müssen unseren Garten kultivieren.«
    »Aber sagte er nicht auch: ›Ein Mal Philosoph, zwei Mal ein Perverser‹?«
    »Ciao, ihr beiden. Bis später.« Sie hatten Malcolm und das Mädchen nicht nur verloren; sie hatten sie regelrecht vergrault. Clare fühlte einen Stich, als sie ihn Richtung Tür driften sah. So kam man der Beziehung zwischen ihm und seinem verstorbenem Partner bestimmt nicht auf den Grund.
    »Äh, bin ich ins Fettnäpfchen getreten?« Hugh Parteger winkte dem

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