Die Rote Spur Des Zorns
Jugend muss man von Zeit zu Zeit ersetzen.«
Corlew nahm einen Schluck aus seinem Glas. »Also ist der Neffe das Bindeglied.« Terry kicherte über das Wortspiel, und beide Männer begannen zu wiehern.
Sterling neigte seinen Kopf zu Mrs. Marshall. »Sehen Sie, warum ich so selten Klatsch erzähle?«
Clare streckte wieder ein Bein über die Sitzkante und stützte ihren Fuß an der Bordwand ab. Malcolm Wintour. Wie hatte Peggy doch gesagt? »Es fällt ihm schwer, ohne erkennbare Einkünfte ein Leben auf großem Fuß zu führen.«
Selbst wenn Clare heute Abend hohe Absätze tragen musste, freute sie sich plötzlich auf die Party.
22
D ie Ehe ist als Bund fürs Leben gedacht«, sagte Clare, während sie von einer der Bedienungen einen Kir royal entgegennahm. »Sie bietet ganz gewöhnlichen Menschen wie Ihnen und mir Gelegenheit, Christus nachzueifern und uns für einen anderen Menschen hinzugeben, sein Glück wirklich an erste Stelle zu setzen.«
Die Männer und Frauen, die sich ringsum drängten, wirkten je nachdem interessiert, erheitert, gelangweilt oder abgestoßen. Dianas Verlobter schüttelte den Kopf. »Seht ihr? Sie gibt der Sache eine ganz neue Sichtweise.« Er trank einen Schluck von seinem Martini. »Ihr solltet euch alle mal von Reverend Clare beraten lassen. Dann habt ihr nicht mehr so verpfuschte Beziehungskisten.«
»Beziehungsweise nichts in der Kiste«, sagte eine junge Frau mit Korkenzieherlöckchen zu dem Mann neben ihr. Ihr Begleiter war so braun gebrannt und sein blondes Haar von der Sonne so gebleicht, dass sein Gebiss von innen zu strahlen schien, als er ein Lächeln aufblitzen ließ.
»Chelli!« Eine andere, ungesund dünne Frau mit langen Fingernägeln, die nichts der Natur verdankten, warf ihrer Freundin einen tadelnden Blick zu.
Als die beiden Verlobten Clare in das gewaltige Wohnzimmer begleitet und verkündet hatten, sie sei Pastorin, bildete sich sofort eine Gruppe interessierter Zuhörer um sie.
Clare schrieb das eher dem Kuriositätswert ihres Berufs zu, besonders in Kombination mit ihrem Geschlecht, als einem jähen Erweckungs-und Bekehrungsdrang, denn die ganze Gesellschaft sah aus, als wäre sie Sex and the City entsprungen und hierher versetzt worden, in dieses dreistöckige Sammelsurium aus Holz und Glas, das an einem Berghang klebte. Cary Wood – der Name ließ Clare immer noch den Kopf schütteln – hatte mehrere interessante Einzelheiten über das Traugespräch preisgegeben, das soeben in dem ruhigen, gemütlichen Büro neben dem Wohnzimmer zu Ende gegangen war. »Wir sprachen über Hingabe und Durchhaltevermögen, und wiederholen Sie mal, was Sie zum Thema Scheidung gesagt haben, Reverend Clare!«
Clare krümmte in ihren hochhackigen Sandalen ihre Zehen und dankte Gott für die dicken Teppichböden, die überall lagen. Wenn sie hier schon gefangen saß, dann war die Situation doch wenigstens keine Strafe für die Füße. Sie lächelte Cary an. Möglich, dass sie ihm grundlegende Einsichten beigebracht hatte, die er in ein paar Jahren benötigen würde; aber der Grund für diese Bitte um eine kleine Kostprobe war wohl eher, dass sie einen aufregenden Bruch mit der allgemeinen Denkweise darstellten. »Ich sagte, wenn zwei Menschen durch die Ehe ein Fleisch und Blut werden, dann ist die Scheidung gewissermaßen ein Tier, das sich ein Bein abnagt, um nicht in der Falle zu verenden. Man sollte sie nur als allerletztes Mittel betrachten.«
»Das erinnert mich an die Trennung von Annalise«, sagte der goldbraune Sonnengott. »Nur war sie das Tier, das an meinem Bein genagt hat.«
Die Frau mit den perfekten Fingernägeln lachte. »Soll das heißen, eine Scheidung kommt für Sie nur in Betracht, wenn es um Leben und Tod geht? Das klingt ziemlich extrem.«
Clare nippte an ihrem Drink. Er war kühl, prickelnd, mit einem vollendeten Johannisbeeraroma. »Nicht unbedingt der Tod im wörtlichen Sinne. Aber manchmal kann die Ehe den Tod der eigenen Seele, des eigenen Ich bedeuten. Denken Sie nur an die landläufigen Gründe für Scheidung und Annullierung: Unfruchtbarkeit, zerstörte Zukunftsaussichten, Geisteskrankheit – der Tod des Verstandes, der einen Treueschwur geleistet hat –, Ehebruch.«
»Das bedeutet: Tod, wenn man dir dahinter kommt!« Chellis Korkenzieherlöckchen hüpften vor Lachen.
»Was mir nicht aus dem Kopf will, Reverend Clare, und nichts für ungut« – Clare entnahm dieser Ankündigung, dass sie die Worte des braungebrannten Mannes als sehr ungut
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