Die Rote Spur Des Zorns
ist vor der ganzen Gemeinde aufgestanden und hat erklärt, wenn sie die Behörden einschaltet, würde er das Projekt abblasen, weil es den Ärger nicht wert sei.« Sie drehte sich zu Hugh um und zog eines ihrer Beine auf das Polster. »Warum sagte er so etwas, wenn BWI auf das Projekt angewiesen ist?«
»Um zu bluffen vielleicht? Kann sein, er war über die Finanzlage der Firma im Bilde. Oder vielleicht hing ihm das Ganze zum Hals heraus, und er suchte eine Gelegenheit zu einem Rückzieher.«
Während sie an ihrem Drink nippte, dachte Clare über die verschiedenen Möglichkeiten nach. All ihre Gedanken waren verschwommen, zusammenhanglos und schwer zu greifen. Aber morgen, wenn sie wieder stocknüchtern wäre, würde sie die Zusammenhänge bestimmt erkennen. Bill Ingraham. Das Erholungszentrum. Die Schulden. Malcolm Wintour.
»Und was spielt Malcolm in alldem für eine Rolle?« Sie war nicht sicher, ob sie die Frage laut gestellt hatte, bis Hugh darauf antwortete.
»Malcolm? Ich glaube nicht, dass er irgendwelchen Einfluss hat, ob BWI den Bach runtergeht oder nicht.«
»Nein, ich meine …« Clare wusste nicht mehr genau, was sie meinte. »Er und Bill Ingraham waren doch einmal ein Paar, nicht? Könnte Malcolm wohl auf irgendeine Weise von Ingrahams Tod profitieren?«
»Sie meinen, außer dass es der Traum jedes verlassenen Partners ist – dass der andere tot umfällt? Ich glaube, nein.«
»Vielleicht hat er ja einen Anteil an der Firma geerbt. Oder ist der Begünstigte einer anderen Lebensversicherung.«
Hugh grinste. »Wollen Sie damit andeuten, Malcolm hätte seinen Exfreund auf dem Gewissen? Wie so ein Flittchen aus einem Film noir?«
Clare nahm noch einen Mund voll Kir royal. »Sie kennen ihn doch ein bisschen? Würden Sie sagen, dass er dazu imstande wäre?«
Hugh verschränkte die Arme und blickte zur Decke. »Nein … dazu nicht. Eine kleine hinterhältige Rache würde ich ihm zutrauen. Es fällt überhaupt schwer, sich vorzustellen, dass er irgendetwas tut, wobei seine Brioni-Hosen zerknautschen könnten.« Er sah sie wieder an. »Das Problem ist: Ich kann mir gar nichts vorstellen, was er nicht zu seinem eigenen direkten Profit täte. Und ich bezweifle stark, dass er von Bill Ingrahams Tod profitieren würde.«
»Falls er etwas erben sollte –«
»Hören Sie, ich habe Ingraham nicht persönlich gekannt, aber ich habe im Lauf der Jahre allerhand über ihn gehört. Soweit ich weiß, stand er auf … Kennen Sie diesen Typ, der jedes Jahr eine neue, chirurgisch aufgemotzte Blondine am Arm hat? So ein Geld-oder Industriemagnat? Er selbst wird immer älter, aber die Mädchen altern nie, bis er dann mit siebenundneunzig eine Pamela Anderson heiratet.«
Clare nickte.
»Genau zu dieser Sorte hat Bill gehört. Der einzige Unterschied war das Geschlecht.«
»Ich verstehe. Malcolm war demnach weniger seine große Liebe als eine Art ›Boy des Monats‹.«
»Na ja, immerhin dauerte es schätzungsweise ein Jahr. So lange müssen sie schon zusammengeblieben sein, denn die ersten Vertragsabschlüsse für das Erholungszentrum fallen in diese Zeit.«
»Jemand hat mir erzählt, dass Malcolm sich aushalten ließ. War Ingraham bloß der Letzte einer Reihe von Sugardaddys?«
»Darüber weiß ich nichts. Das erste Mal hörte ich von Malcolm in Zusammenhang mit Ingraham, nach der Bekanntschaft zwischen Peggy und mir. Das war letztes Jahr.« Mit einer plötzlichen Ernsthaftigkeit beugte er sich näher. »Ich möchte ausdrücklich darauf hinweisen, dass nichts von meinen Informationen über Bill und Malcolm aus einer Schwulenbar stammt, dass ich noch nie in einer Schwulenbar war und dass ich auch keine diesbezüglichen Absichten hege.«
»Ist das etwa ein Wink mit dem Zaunpfahl?« Clare grinste. »Sie wissen doch, was man über Männer sagt, die zu sehr ihre Heterosexualität betonen.«
»Danke, ich bin mit meiner Sexualität ganz zufrieden. Mir fällt nur gerade auf, dass ich mit einer schönen Frau, der ich gefallen will, normalerweise nicht stundenlang über Schwuletten rede.«
»Schwuletten? Ich liebe Ihre blumigen Ausdrücke.«
»Das tun alle Amerikanerinnen. Deshalb habe ich mich ja für das New Yorker Büro gemeldet. Bei meinen Landsmänninnen bin ich ein hoffnungsloser Fall.«
Clare lachte laut auf.
»Reverend Clare! Da sind Sie ja! Ich habe Sie schon gesucht. Ich möchte Sie gern ein paar Leuten vorstellen.« Peggy Landry kam mit staksenden Schritten zu dem Sofa beim Fenster. »Hallo,
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