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Die Rote Spur Des Zorns

Die Rote Spur Des Zorns

Titel: Die Rote Spur Des Zorns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Spencer-Fleming
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empfinden würde –, »das ist, wie scharf Priester darauf sind, ohne jede eigene Erfahrung mit Sex und Ehe dem Rest der Welt die Scheidung auszureden.«
    »Meine Mutter sagt immer, ein Arzt muss nicht selbst Krebs haben, um ihn heilen zu können«, entgegnete Chelli.
    »Ja, diese Redensart kenne ich«, sagte Clare. »Nur ist es meiner Meinung nach besser, seinen Priester als Anlageberater zu sehen. Nehmen wir an, Sie möchten Ihr gesamtes Vermögen und all Ihre künftigen Erträge investieren, um daraus einen gigantischen Profit zu ziehen. Wollen Sie dann einen Berater, der selbst bis über die Ohren im Kapitalmarkt steckt? Jemanden, dessen Einschätzungen und Interessen seinem persönlichen Engagement entspringen? Oder bevorzugen Sie einen Unabhängigen, der das Marktgeschehen und dessen Werdegang beobachtet und all die unterschiedlichen Anlagestrategien studiert hat? Jemanden, der verbürgtermaßen kein anderes Interesse verfolgt, als dass Sie Ihr Geld dort investieren, wo es den größten Ertrag bringt?«
    »Tja. So habe ich das noch gar nicht betrachtet.« Der Sonnengott streckte die Hand aus. »Ich heiße übrigens Dennys. Mit Ypsilon.«
    »Freut mich, Dennys mit Ypsilon.«
    »Und ich bin Gayle. Ebenfalls mit Ypsilon.«
    Clare griff zaghaft nach der Hand der jungen Frau. Diese Nägel waren furchterregend. Ob sie sich auch etwas ausdenken sollte, wie man ihren Namen mit Ypsilon schreiben könnte? – Clayr?
    »Verraten Sie mir doch mal« – Dennys senkte seine Stimme, und die beiden Frauen beugten sich vor, um ihn zu verstehen – »wie ist das denn so? Im Zölibat zu leben? Ich meine, ich kann mir das einfach nicht vorstellen.«
    »Das glaub ich!«, kicherte Chelli.
    »Ich denke, Sie machen einen landläufigen Fehler, indem sie ›Zölibat‹ mit ›Keuschheit‹ verwechseln. ›Zölibat‹ bedeutet unter anderem ›unverheiratet sein‹. Priester der Episkopalkirche leisten kein Keuschheitsgelübde. Viele, viele sind verheiratet und haben Kinder.«
    » Sie sind aber nicht verheiratet«, sagte Gayle.
    »Nein, bin ich nicht. Woher wissen Sie das?«
    »Kein Ring«, antwortete die junge Frau und deutete auf Clares ungeschmückte Linke. Clare war beeindruckt. Sie wusste, dass Frauen in dieser Hinsicht auf Männerhände achteten, aber auf die ihrer Geschlechtsgenossinnen? Gut, dass sie schon so viele Jahre aus der Single-Szene heraus war. Man hätte sie dort zerfleischt.
    »Nun, die Kirche lehrt traditionsgemäß, dass Sex der Ehe vorbehalten sein sollte. Auf dem letzten Generalkonvent wurde viel darüber diskutiert, den Begriff ›Ehe‹ durch ›von Liebe und Hingabe geprägte Gemeinschaft‹ zu ersetzen. Ich finde …« Sie zögerte. »Ich glaube, ein Priester hat auch die Verpflichtung, als Vorbild zu dienen. Ein möglichst offenes Leben im Sinne Christi zu führen.«
    »Heißt das: Keinen Sex? Weder vor noch nach der Scheidung? Nie?« Dennys schien an dieser Idee höchst interessiert. Hoffentlich stand er nicht auf Frauen, die nicht zu haben waren. Heute, wo sich niemand durch die Ehe an einem Seitensprung hindern ließ, musste es einem Frauenhelden doch schwer fallen, noch irgendwelche Herausforderungen zu finden.
    »Richtig«, antwortete Clare, und während sie das sagte, erschien vor ihrem inneren Auge ein Bild aus ihrem Traum: die fließende Wärme, die Hände, Russ, der aus dem Wasser stieg. Sie fühlte, wie ihre Wangen zu glühen begannen.
    »Sie wird rot!«, rief Chelli.
    Clare lächelte und hoffte, sie wirke gefasst. Es war doch nur ein Traum, um Gottes willen. »Ich fürchte, Sie haben mich ertappt. Wir Priester sind es zwar gewöhnt, persönliche Fragen zu stellen, aber nicht, sie zu beantworten. Hallo! Da ist ja Peggy. Wenn Sie mich bitte entschuldigen. Ich möchte unsere Gastgeberin begrüßen.« Sie versteckte sich schnell hinter einem Kellner, der ein Tablett mit indonesischem Grillhühnchen herumtrug, und entwischte durch die offene Tür, wo Peggy möglicherweise verschwunden war. Wenn Sie ein Gefecht vermeiden können, hallte Master Sergeant Wrights Stimme in ihrem Kopf wider, dann stehen Sie nicht herum wie ein Idiot, der darauf wartet, dass man ihn erschießt, sondern treten Sie den Rückzug an! Es gab Momente, erkannte Clare, da war ihr Priestertum ein deutlicher Nachteil, zum Beispiel bei einer großen Party, wo der Alkohol floss und wo man einigen Klatsch über den Neffen der Gastgeberin und dessen Exfreund zu erfahren hoffte.
    Der Raum, in den sie trat, war kleiner und gemütlicher, mit

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