Die Rote Spur Des Zorns
waren. Dieser Irrsinn lag jetzt in Peggys Augen.
Offenbar sah das auch Opperman. »Peg«, sagte er, fast zu sanft, um durch das Motorengebrüll verständlich zu sein. »Lassen Sie uns das Ganze mal in Ruhe besprechen. Ich bin imstande, Ihnen zu helfen. Ich kenne ein paar der besten Anwälte –«
»Sie!«
Jetzt kehrte sich ihr Irrsinn nach außen.
»Sie! Sie waren mir ja eine verdammte Hilfe! Haben immer versichert, die Sache würde schon gut gehen! Ist sie aber nicht, oder? Mein Leben ist ruiniert! Und ich schwöre Ihnen: Ihres auch!«
Opperman stürzte sich auf sie, sodass sie zu Boden gerissen wurde. Dann verschwanden beide im halbdunklen Innern des Flugzeugs.
»Großer Gott, nein!« Russ reckte sich zu der unteren Türkante. Ein Schuss fiel. Clare hob ihre Arme über den Kopf und duckte sich, eine sinnlose, instinktive Reaktion. Russ stemmte sich gerade über den Rand, da kam Opperman, auf allen vieren kriechend, in Sicht.
Eine endlose Sekunde lang erwartete Clare, Peggy würde ihm folgen – bildete sich ein, die Frau stünde wie ein drohender Schatten in der Tür hinter dem Verwundeten. Russ würde es nie schaffen, rechtzeitig seine Waffe zu ziehen. Peggy würde sie alle der Reihe nach erschießen und sich die letzte Kugel selbst geben. Doch das Einzige, was Clare in dieser Notsituation einfiel, war der so genannte Bußakt aus dem Konfirmationsunterricht der achten Klasse: »O mein Gott, ich bereue von Herzen, gegen dich verstoßen zu haben, und verabscheue alle meine Sünden.« Dabei war das nicht mal ein episkopalisches Gebet.
Opperman stand auf, streckte eine Hand aus und half Russ ins Flugzeug. Einen Moment später kehrte Russ zurück. Betrachtete sie mit einem Gesicht, das grimmiger war, als sie es je erlebt hatte. Und da begriff sie, dass Peggy Landry niemals in dieser oder sonst einer Tür erscheinen würde.
32
D ie Tür des Farmhauses öffnete sich, und Clare hielt Paul ihre Blumen entgegen. »Willkommen daheim!«, sagte sie.
Paul schlang ihr einen seiner fleischigen Arme um die Schultern und drückte Clare an sich. »Freut mich, dass Sie gekommen sind, wirklich.«
Er warf einen Blick auf den Begleiter hinter ihr. »Hallo! Ich bin Paul Foubert.«
»Ich sollte doch jemanden mitbringen.« Clare trat einen Schritt beiseite, damit die beiden Männer einander die Hand geben könnten. »Paul, das ist Hugh Parteger.«
»Freut mich, Sie kennen zu lernen«, sagte Hugh, während er Paul eine Flasche Wein überreichte.
»Holla! Sie stammen aber nicht von hier, oder?«
»Hört man das?« Hugh machte ein enttäuschtes Gesicht. »Egal, wie ich an meinem Akzent arbeite – jeder merkt sofort, dass ich Schwede bin.« Paul lachte.
»Hugh lebt in New York City, hat aber Ambitionen, den Sommer über einer von hier zu werden«, erklärte Clare. »Er war dieses Wochenende zufällig da und hat mich angerufen. Also bat ich ihn, mich zu begleiten.«
»Großartig!«, sagte Paul. »Das Hotel von Stephen und Ron ist heute Abend ausgebucht, und sie konnten sich nicht freinehmen. Deshalb bleibt es bei uns und den Van Alstynes.«
Clare bewahrte eisern ihr Lächeln. »Wie schön! Dann lerne ich ja endlich Mrs. Van Alstyne kennen.«
Paul betrachtete sie mit einem eigentümlichen Gesichtsausdruck. »So wie sie, seit sie hier ist, über Sie redet, hätte ich gedacht, Sie kennen sich schon längst.«
»Linda Van Alstyne redet über mich?« Clare wurde flau im Magen. So was Dummes! Dabei hatte sie doch gar keinen Grund für ein schlechtes Gewissen. Absolut nicht.
Pauls Gesichtsausdruck entspannte sich. »Nein, Margy Van Alstyne. Sie hat über Sie geredet.« Er wandte sich an Hugh. »Chief Van Alstynes Mutter. Wirklich eine Wucht, diese Frau. Sie hat unsere Hunde zu sich genommen, während ich bei Emil in Albany war.« Er bedachte Clare und Hugh mit einem so geheimnistuerischen Blick, wie ihn sein breites, offenes Gesicht nur zustande brachte. »Sie hatten wir ja als Erste eingeladen, vor dem Chief und seiner Frau. Ich bekomme allmählich den Eindruck, dass Linda Van Alstyne sich dort nicht sehen lässt, wo auch ihre Schwiegermutter präsent ist.«
Clare war fast schwindlig vor Erleichterung. »Apropos: Wo sind denn die beiden –« Ein Chor freudigen Hundegebells schnitt ihr das Wort ab.
»Die zwei Ungeheuer sind draußen auf der Terrasse. Wir nutzen gerade das frische Lüftchen aus. Ich habe das Essen auf sechs Uhr angesetzt, weil Emil immer so früh müde wird, aber das Gewitter soll ja erst in ein paar Stunden
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