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Die Rote Spur Des Zorns

Die Rote Spur Des Zorns

Titel: Die Rote Spur Des Zorns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Spencer-Fleming
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mehrere Preisträger des Wettlaufs hastig flüchteten. Buhrufe wurden laut.
    »Lasst sie reden!«
    »Wovor habt ihr Angst?«
    Russ setzte seine Mutter ab. »Das ist eine nicht genehmigte Demonstration«, sagte er in entschiedenem Ton. »Landfriedensbruch, Widerstand gegen die Staatsgewalt, eventuell Volksverhetzung und Aufruf zur Gewalt. Legen Sie sie in Handschellen, Officer Flynn.«
    »Ich?«, sagte der junge Beamte entsetzt.
    Eine zweite Demonstrantin – die rothaarige Krankenschwester, die Clare bei der Bürgerversammlung gesehen hatte – schwang sich auf das Podium. Mrs. Van Alstyne streckte ihr das Megafon hin. »Fragt euch selbst, warum die Polizei und der Stadtrat uns den Mund verbieten wollen«, schrie sie.
    »Verdammt, Laura, mach, dass du hier runterkommst. Sonst kriegst du wieder eine Anzeige.« Russ wollte sie von der Tribüne herabzerren, aber sie entzog sich seinem Zugriff.
    »Unsere Gemeindeverwaltung ist von der Aussicht auf die Steuereinnahmen zu verblendet, um an eure Gesundheit zu denken«, rief die Krankenschwester. »Aber ihr habt ein Recht, dass die Umweltbehörde dieses Projekt verhindert! Ihr habt ein Recht auf eine Neuuntersuchung des Baulands! Ihr habt ein Recht – uff!«
    Russ hob die Sprecherin mit erheblich weniger Kraftaufwand als bei seiner Mutter vom Boden hoch. Buhs vermischten sich mit Bravorufen. Die Demonstranten nahmen die Parolen wieder auf, unterstützt durch andere Stimmen. Rechts neben Clare schrie jemand: »Der Bau bedeutet Arbeit! Der Bau bedeutet Arbeit!«, und sofort erschallte auch der Ruf. »Verfluchte Kommunisten«, sagte Clares Vordermann zu einem andern. »Wenn die’s so toll finden, dass die Regierung über Privatgrund bestimmt, dann sollen sie doch ab nach Nordkorea!«
    Officer Entwhistle versuchte inzwischen, Demonstranten und Leute, die ihnen zu Leibe rückten, voneinander zu trennen. Beide Gruppen waren unmöglich zu unterscheiden. In einem Hin und Her von aufgeregten Stimmen lavierte sich Clare zwischen Einzelpersonen, Paaren und Menschenknäueln hindurch. Trotz ihrer nassen Kleidung, ihrer feuchten, kalten Haut und der Warnungen ihrer Großmutter – Das geht dich nichts an, Fräulein – fühlte sie sich unwiderstehlich angezogen.
    »Leute! Leute …! Mein Name ist Bill Ingraham, und ich bin BWI-Bau.« Jemand hatte den Mikrofonständer gerettet, der unter dem herabgefallenen Spruchband begraben war, und ihn vor Ingraham postiert. »Ich habe es schon am Mittwochabend auf der Bürgerversammlung gesagt, und ich sage es jetzt noch einmal: Wenn ihr kein Erholungszentrum in eurer Gemeinde haben wollt, dann verschwinden wir.« Er erschien nicht als der geniale, selbstbeherrschte Unternehmer wie auf der Versammlung, sondern wie ein Bauleiter, der gerade erfahren hat, dass seine Truppe mit Gewerkschaftseintritt droht. »In wissenschaftlicher Hinsicht, aber erst recht als Kaufmann, finde ich es einen ziemlichen Quatsch, einen Zusammenhang zwischen eurem PCB-Problem und dem Bauprojekt herzustellen.«
    »Vor fünfundzwanzig Jahren war das Gelände eine PCB-Deponie!«, brüllte jemand aus der Menge.
    »Ja, und dann hat der Staat die Container beseitigt und den Boden sanieren lassen. Hört mal, Leute, sämtliche Regierungsbehörden haben für den Bau grünes Licht gegeben. Entweder ihr vertraut ihnen oder nicht. Aber wenn nicht, warum, zum Teufel, wollt ihr sie dann überhaupt noch einmal holen?«
    »Hört, hört! Recht hat er!«, brüllte ein Mann.
    »Ich bin stolz auf die Bäder und Erholungszentren, die ich gebaut habe. Es ist gute Arbeit, und ich versuche, die Umwelt so weit wie möglich zu schonen.« Die Demonstranten johlten höhnisch. »Wenn ihr uns nicht hierhaben wollt, dann holt nur die Umweltbehörde, und wir sind weg. Aber bleibt mir vom Hals mit eurer Horde ignoranter Hexen!« Er hängte das Mikrofon so energisch wieder ein, dass der ganze Ständer wackelte, marschierte dann erhobenen Hauptes an den Rand des Podiums, sprang hinunter und verschwand.
    Der Lärm der Leute war ohrenbetäubend. Bürgermeister Jim Cameron schwankte offenkundig zwischen dem Drang, das Mikrofon zu schnappen oder Ingraham nachzulaufen. Sein Entschuldigungsbedürfnis gewann anscheinend die Oberhand, denn er sprang an der Rückseite der Tribüne hinab und verschwand ebenfalls.
    Russ, der seine Mutter Officer Flynn übergeben hatte, trat wieder an den vorderen Rand des Podests. Er nahm erst gar kein Mikrofon, sondern legte einfach die Hände um den Mund und rief: »Ihr veranstaltet

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