Die Rote Spur Des Zorns
wollte gehen.«
»Wohnen die beiden zusammen oder was?«
»Nein. Elliotts Pick-up hat letzte Woche den Geist aufgegeben; seitdem lässt er sich von Whitey chauffieren.«
Clare blinzelte. »Sein Pick-up?«
»Ja. Whitey wohnt in Glens Falls drüben und kommt genau an Elliotts Adresse –«
»Was für eine Art von Pick-up? Welche Farbe?«
Ray sah sie an, als hätten die Hitze und die holperige Fahrt im Jeep bei ihr etwas durcheinander gebracht. »Weiß nicht. Lassen Sie mich mal nachdenken. Es ist ein Chevy Zweitonner. Rot. Wieso?«
15
D as Erste, was Russ beim Einbiegen auf die Baustelle sah, war Clares Auto. Er folgte mit seinem fünf Jahre alten Streifenwagen, der dringend neue Stoßdämpfer brauchte, Peggy Landrys Volvo-Limousine. Peggy und Opperman fuhren bestimmt tausendmal bequemer als er, und die Vorstellung, wie die zwei allein zusammenhockten und ihre Geschichten aufeinander abstimmten, gefiel Russ verdammt wenig; weil sie aber beide auf die polizeiliche Vorladung prompt reagiert und sich bereit erklärt hatten, ihr Büro für eine Durchsuchung zu öffnen, wollte Russ ein Auge zudrücken.
Und nun entdeckte er den Shelby.
Was hatte Clare nur mit diesen roten Winzigfahrzeugen? Vor allem aber: Warum stolperte er jedes Mal über sie, wenn er seiner Arbeit nachging? Demnächst würde er ihr noch am Pinkelbecken begegnen!
Er fuhr neben Peggys Limousine und atmete tief durch, um seine Lunge mit klimatisierter Luft vollzupumpen. Zum Teufel! Er war hier, um Bill Ingrahams Hintergrund zu durchleuchten. Mit Clare hatte er nichts zu tun.
Außer, dass sie natürlich die Entdeckerin von Ingrahams Leiche war. Einen Moment erlaubte sich Russ daran zurückzudenken, wie sie auf dem feuchten Boden gesessen hatte, quasi verschanzt hinter diesen zwei Hunden. Er schnaubte. Diese Frau war etwa so schwach und verletzlich wie ein Panzer. Und in etwa genauso feinfühlig. Er stellte den Motor ab und stieg aus dem Wagen und in die Mittagshitze.
Bill Ingrahams Geschäftspartner warteten bereits auf ihn. John Opperman wirkte inmitten von Staub, struppigem Gras und Baumaschinen linkisch und deplatziert. Er sah aus, als würde er seinen Anzug und seine Krawatte nur zum Duschen ablegen. Peggy Landry hingegen hätte vom Umschlag eines der Martha-Stewart-Bücher stammen können, die seine Frau immer las. Doch auch Martha führte, wie Linda gerne betonte, ein großes Imperium, ein milliardenschweres sogar. Diese Tatsache sollte Russ wohl im Hinterkopf behalten, wenn er sich mit Peggy Landry auseinander setzte.
»Zum Büro der Bauleitung geht’s hier entlang bitte, Chief Van Alstyne«, sagte Opperman. »Aber wie ich schon auf der Polizeiwache bemerkte, glaube ich kaum, dass Sie dort viel Brauchbares finden. Es ist ein reines Arbeitsbüro – ich weiß nicht, ob Bill Berufs-und Privatleben je vermischt hat.«
Russ folgte den beiden anderen einen leichten Hang hinauf. Am Rand der Baustelle stand auf einem Betonfundament ein Wohnwagen. Von den Picknicktischen im dahinter liegenden Schatten sprangen mehrere Männer hoch. Opperman blieb stehen und wies auf sie.
»Geht nach Hause«, sagte er. »Ihr habt den Rest des Tages frei. Was morgen ist, erfahrt ihr telefonisch.«
»Werden wir für heute voll bezahlt?«, fragte einer der Männer.
»Ja, ja, den vollen Acht-Stunden-Lohn.«
Opperman drehte sich zu Peggy Landry um und bedachte sie mit einem Blick, als wolle er sagen: Sehen Sie, womit ich mich rumschlagen muss? Dann rief er über seine Schulter: »Nur hereinspaziert, Chief«, und stieg die Stufen des Wohnwagens hinauf. Er verschwand nach drinnen, wo er mit jemandem redete. Beim Klang der Stimmen fügte sich Russ in sein Schicksal. Er schob seine Schultern durch den schmalen Aluminiumrahmen und sah genau das, was er erwartet hatte: Clare Fergusson. Sie saß hinter einem Metalltisch mit einer Platte aus Holzimitat, und bei Russ’ Anblick gingen ihre Brauen in die Höhe, als wollten sie unter ihrem Haar verschwinden. Opperman redete mit einem muskulösen Mann von Mitte fünfzig. Der Mann hatte die ungezwungene Art eines Poliers, der wusste, dass er sein Geld wert war. Er hatte die Arme verschränkt und deutete mit einem Kopfnicken in Richtung Peggy Landry.
»Ja, Sir, ist schon klar. Aber Reverend Fergusson wurde von Ms. Landry hierher eingeladen«, sagte er gerade.
Die Grundstückseigentümerin trat vor. »Er hat Recht. Tut mir leid, Clare, aber wie sich herausstellte, war dieser Nachmittag« – sie warf ihrem Geschäftspartner
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