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Die Rote Spur Des Zorns

Die Rote Spur Des Zorns

Titel: Die Rote Spur Des Zorns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Spencer-Fleming
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Verdächtigen, falls man je ein entsprechendes Kleidungsstück fand.
    »Wenn Sie mich jetzt nicht mehr brauchen, lasse ich mich von Peggy in die Stadt zurückfahren. Mein Wagen steht auch dort.« Opperman gab Russ seine Visitenkarte. »Das ist meine Handynummer. Ich komme nachher noch mal und schließe ab; wenn nötig, können wir dann ja weiterreden.«
    »In Ordnung«, sagte Russ. »Keine Einwände.« Ursprünglich hatte er Peggy Landry und Opperman ja während der Durchsicht der Akten befragen wollen, aber ein Blick auf das Büro ringsum verriet ihm, dass er mehrere Stunden brauchen würde, nur um wenigstens eine ungefähre Vorstellung zu erhalten. »Angeblich reisen Sie sehr oft geschäftlich hin und her, Mr. Opperman.«
    »Das stimmt.«
    »Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie in nächster Zukunft im Dreiländer-Bezirk blieben. Ich möchte sicher sein, dass ich Sie im Zweifelsfall jederzeit erreichen kann.«
    Opperman zuckte mit keiner Wimper. »Selbstverständlich.« Er hielt Russ die Hand hin, aber dieser schüttelte sie nur beiläufig. »Dann überlasse ich Sie jetzt Ihren Ermittlungen. Rufen Sie mich an, falls Sie irgendwelche Fragen haben.« Und schon fiel die Aluminiumtür mit einem dumpfen Geräusch hinter ihm zu.

    Drei Stunden später war Opperman immer noch nicht zurück, aber das ließ sich verschmerzen, denn Russ hatte die Hintergründe des Projekts durchgearbeitet, ohne dass sich die geringsten Fragen ergaben. Falls in diesen Daten Indizien für irgendein schmutziges Geldgeschäft steckten, dann fand er sie ums Verrecken nicht. Natürlich konnte er sich an einen der staatlichen Wirtschaftsprüfer wenden – ein Titel, der vor Russ’ geistigem Auge einen Typen mit Ärmelschonern und messerscharfem Bleistift heraufbeschwor –, aber dort herrschte ein so enormer Arbeitsstau, dass Russ wahrscheinlich in Pension wäre, bevor sie seinen Fall einschieben könnten.
    Er stand auf und räkelte sich, dass seine Wirbelsäule knackte. Gott, tat das gut. Da glaubte man immer, man würde alt, wenn man nicht mehr so herumspringen konnte wie früher. Aber das wirklich Deprimierende am Älterwerden war die Unfähigkeit, so lange wie früher zu sitzen. Russ sah auf seine Uhr. Sieben. Er hatte vor einer Stunde Linda angerufen, dass sie mit dem Abendessen nicht warten solle, und sie war wütend geworden. Wenn er es nicht schaffte, mal einen Abend mit ihr daheim zu verbringen, hatte sie gesagt, dann könne sie auch mit ihrer Freundin Meg essen gehen. Jetzt knurrte sein Magen. Er brauchte etwas zu essen, selbst wenn es nur Reste wären. Und sein Gehirn war wie betäubt. Egal, was er heute Abend noch lesen würde, er könnte es doch nicht aufnehmen. Also schaltete er Computer und Schreibtischlampe aus, ging zur Tür und schüttelte seine eingeschlafenen Beine.
    Die langen Schatten des Sonnenuntergangs milderten die Ecken und Kanten der Baustelle und verwandelten das Tannendickicht in eine undeutlich erkennbare Wand. Russ streckte sich erneut, bevor er zu seinem Streifenwagen marschierte, dem einzigen Fahrzeug, das noch auf dem Parkplatz stand. Etwas Beiges steckte unter dem Scheibenwischer. Russ zog es seufzend heraus.
    Es war eine Art Programmzettel, wie sie sie immer in Kirchen verteilten. Unter einer Radierung von St. Alban’s stand die Überschrift: »Heilige Messe – Sechzehnter Sonntag nach Pfingsten.« Und dann folgte eine Aufzählung all dessen, was man diesen Sonntag treiben würde: Begrüßung, Sanctus Spiritus, Lesung. Er drehte das Blatt um.
    Die Nachricht war mit einem dicken schwarzen Filzstift auf den breiten Seitenrand geschrieben. »Bitte rufen Sie mich an. Dringend. Clare.« Ein langer, krakeliger Pfeil deutete auf einen unterstrichenen Satz aus der Bibellesung: »Er ist nahe, der mich rechtfertigen wird; wer soll mir widerstreiten? Wenn wir zusammenhalten, wer wäre dann mein Feind? Möge er vor mich treten.«
    »Donnerwetter, Johnny, eine Geheimbotschaft!«, sagte er. »Gehen wir mal rüber zu dem verlassenen Bergwerk und sehen, was los ist!« Er stopfte das Programm in die Tasche, stieg in den Wagen, ließ den Motor an und drehte die Klimaanlage auf. Dann hielt er sein Gesicht vor das Gebläse. Ihm war, als ginge er zu seiner eigenen Hinrichtung. Nerven hatte sie, diese Clare, das musste man ihr lassen. Deshalb würde er zwar noch lange keinen Abstecher zum Pfarrhaus machen, aber dass sie so mir nichts, dir nichts auf ihn zuging, selbst nach gestern Abend, war doch bewundernswert. Als es so kühl im

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