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Die Rote Spur Des Zorns

Die Rote Spur Des Zorns

Titel: Die Rote Spur Des Zorns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Spencer-Fleming
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einen scharfen Blick zu – »der denkbar schlechteste Zeitpunkt für eine Führung. Darf ich Sie nun hinausbegleiten? Wir verabreden dann einen neuen Termin.«
    Russ hatte sich fest vorgenommen, Frau Hochwürden zu ignorieren, aber er konnte einfach nicht. »Sie beide kennen sich?«
    Peggy Landry runzelte die Stirn, wahrscheinlich wegen seines Tonfalls. »Reverend Fergusson wird im August die Trauung meiner Nichte Diana vornehmen.« Sie legte eine Hand auf die Furnierfolie der Tischplatte und gab Clare ein Zeichen. »Das ist wirklich nicht die richtige Zeit, Reverend.«
    Clare öffnete schon den Mund, besann sich dann aber. Sie stand von ihrem Klappstuhl auf und ließ sich zur Tür bringen, wobei sie einen so großen Bogen um Russ machte, wie es ein Wohnwagen voller Tische und Stühle nur zuließ.
    Zwischen einem Stapel Kartonuntersetzer und einer klapperig wirkenden Wassermaschine, die den Ausgang säumten, hielt sie noch einmal inne und zwitscherte mit künstlicher Unbefangenheit: »Ich hätte Sie gerne irgendwann unter vier Augen gesprochen, Chief Van Alstyne.«
    Russ grunzte unverbindlich, und Peggy Landry zerrte Clare regelrecht auf das Treppchen hinaus. Opperman schlug die Tür hinter ihnen zu. »Ray, wir machen Feierabend für heute. Peggy oder ich werden Ihnen telefonisch Bescheid sagen, wann es wieder weitergeht.« Der Polier nickte und setzte sich in Bewegung. »Und, Ray …« Opperman behielt seine Hand auf der Klinke, um sekundenlang den Ausgang zu versperren. »Lassen Sie keine Unbefugten mehr auf die Baustelle, wenn nicht einer von uns da ist. Niemanden.« Er lächelte. »Sie wissen ja, die Versicherung …«
    »Es ist Ihre Baustelle, Mr. Opperman«, antwortete Ray schulterzuckend. Dann öffnete er die Tür.
    »Also dann.« Opperman klatschte in die Hände. »Was möchten Sie denn gern sehen, Chief?«
    Russ schaute sich in dem Büro um, das plötzlich menschenleer geworden war. Ein großer Zeichentisch mit modernstem technischem Zubehör beherrschte das eine Ende, ein unaufgeräumter Schreibtisch, flankiert von einem Karteischrank und einem Faxgerät, das andere. Dazwischen standen diverse Klapptische, die mit zusammengerollten Blaupausen, braunen Kuverts und aufgerissenen Federal-Express-Päckchen bedeckt waren. »Wie hat doch der Richter vom Bundesgerichtshof so schön gesagt? ›Das weiß ich, wenn ich es sehe.‹« Russ deutete auf den Schreibtisch. »War das der von Ingraham?«
    »Ja.« Opperman schob zwei Klappstühle beiseite, um einen stabilen, vinyl-gepolsterten Metallstuhl hervorzuziehen. »Bill hat keinen Wert auf Prestige gelegt. Für ihn zählte Zweckdienlichkeit.« Er presste einen Moment die Lippen zusammen. »Solange ich ihn gekannt habe, benutzte er diesen alten Stuhl. Ich habe mich einmal darüber lustig gemacht – sagte, er soll sich doch etwas Ergonomischeres zulegen. Aber er gab zur Antwort, dieser Stuhl erfülle voll und ganz seinen Zweck: Er verhindere, dass sein Arsch auf dem Boden landet; alles andere wäre Schnickschnack.«
    Opperman sah aus dem kleinen Fenster, das sich neben dem Schreibtisch befand.
    »Galt das auch für seine Bauprojekte? Dass sie lediglich ihren Zweck erfüllten?«
    »Lieber Himmel, nein. Darin war er ein echter Perfektionist.« Opperman wies auf den überfüllten Wagen. »Er hat immer so viel Zeit wie möglich auf der Baustelle oder in der Nähe verbracht. Musste alle Unternehmer, Subunternehmer und Arbeiter persönlich kennen. Wahrscheinlich wusste er sogar den Namen des Mannes aus dem Steinbruch, wo der Marmor für die Badezimmerfliesen herkam. Und wehe, die waren nicht allererste Qualität!«
    »Und was spielen Sie bei BWI für eine Rolle? Waren Sie Ingrahams Angestellter?«
    »Nicht sein Angestellter. Sein Geschäftspartner. Bill hat sich um den praktischen Teil gekümmert, die Bauarbeiten, und das ganz fantastisch. Ich bin für alles andere zuständig: Grundstücksankauf, Kommanditisten, Genehmigungen, Finanzierung, Versicherungen.« Er lächelte schwach. »Deshalb passt mein Büro ja in einen Laptop, im Gegensatz zu dem von Bill.« Oppermans Lächeln verblasste. »Ich weiß nicht, wie es ohne ihn weitergehen soll.«
    »Wird das Projekt jetzt platzen? Oder können Sie einen Ersatz für Ingraham finden?«
    Opperman bedachte ihn mit einem stechenden Blick. »Ich glaube nicht, dass es für Bill einen Ersatz gibt. Wenn ich einen Bauleiter finde, der qualifiziert genug ist, kann’s weitergehen. Das hoffe ich zumindest. Es wäre eine verdammte Schande,

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