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Die Rote Spur Des Zorns

Die Rote Spur Des Zorns

Titel: Die Rote Spur Des Zorns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Spencer-Fleming
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Sie lächelte schief. In dieser Hinsicht konnte sich Gott wohl nicht beschweren. Sie hatte das alles aufgegeben, all die herrlichen flüchtigen Momente, um seinem Ruf nach Millers Kill zu folgen. Und wofür? Für eine Gemeinde, die im Sommer quasi nicht vorhanden war, und einen Menschen, dessen Freundschaft sie vermeiden sollte. Sie lehnte ihren Kopf zurück, bis er fast den Passagiersitz hinter ihr berührte. Einen Menschen, den sie mit ihrer großen Klappe und ihrer Rechthaberei ungewollt verletzt hatte. Dabei stand nur eines unstrittig fest: Ein Mann war tot, und zwei andere Männer hatte man zusammengeschlagen. Und beides ging sie nichts an.
    Heilen, was verletzt ist. Sie hob ihren Kopf. Legte ihre Hände um das Steuer. Woher stammte dieses Zitat? Aus der Heiligen Schrift? Und mit ihm zusammen kam die Erinnerung an Paul Foubert im wirbelnden Blaulicht des Rettungswagens. An Todd MacPhersons Bruder, wie er in dem Wartezimmer mit den Tränen gekämpft hatte. An Russ’ Gesichtsausdruck im Streifenwagen, als sie ihn angegriffen hatte. Heilen, was verletzt ist. »Ist es das?«, fragte sie. »Ist das meine Bestimmung? Schickst du mir diesen Gedanken, oder ist es bloß eine Erinnerung? Bist du da, oder rede ich bloß mit mir selbst?«
    Natürlich gab es keine Antwort. Nur die zunehmende Hitze im Cockpit und das vertraute Gefühl des Pilotensessels. Aber es war nicht ihr Sessel, und sie gehörte nicht hierher. Plötzlich erdrückte sie die Enge des Cockpits. Sie stieß mit einem Fußtritt die Tür auf, sprang hinaus und wäre fast auf Ray Yardhaas gelandet.
    Sein breites Gesicht zeigte Sorgenfalten. »Ich glaube, Sie hätten das nicht tun sollen, Reverend.«
    Clare legte ihm eine Hand auf den Arm. »Ich weiß. Tut mir leid, Ray.« Sie drehte sich um, machte die Tür zu und drückte den Griff herab. »Wollen wir jetzt zurückfahren?«
    Waxman betrachtete sie mit eigentümlicher Miene. Denk daran: Wohin du auch gehst, du bist eine Botschafterin der Vereinigten Staaten, hatte Großmutter ihr eingeschärft. Als Botschafterin der Episkopalkirche taugte sie offenbar nicht viel. »Ich segne gern Flugzeuge«, sagte sie im Bemühen, Zweifel an ihrem Priestertum zu zerstreuen. Fehlte nur, dass er sie für eine Diebin hielt, die etwas ausspionieren wollte! »Soll ich auch Ihren Jeep segnen?«
    Waxmans Gesicht zuckte vor Anstrengung, seine Reaktion zu unterdrücken. Er schüttelte den Kopf. »Äh, ich fahre jetzt zurück, falls Sie mitkommen möchten.«
    Sie legte zwar keinen besonderen Wert auf dieses Erlebnis, aber Ray öffnete ihr schon die Tür. Mit einem frustrierten Seufzen stieg sie wieder in den zerbeulten Wagen. »Warum unterhält BWI denn hier draußen einen Hubschrauberlandeplatz mit allen Schikanen? So etwas kostet doch ein Vermögen.«
    Ray ließ sich grunzend in seinen Sitz fallen. »Meines Wissens richten sie auf sämtlichen Firmenbaustellen einen ein. Die meisten von diesen Erholungszentren liegen in unzugänglichem Gebiet. Das ist ja Oppermans Strategie: gutes Land kaufen, bevor eine Infrastruktur angelegt wird und alle Welt darauf anspringt. Lohnt sich wohl nicht, einen Flugplatz in der Umgebung zu benutzen.«
    Waxman legte den Gang ein, stieß zurück, und schon ging es über Stock und Stein wieder bergab. »Außerdem hat ein Hubschrauber im Planungsstadium eines Großprojekts viele Vorteile. Bei der kartographischen Erfassung, der Geländeüberwachung, um die ersten Bautrupps schnell hochzuschaffen …«
    Sie fuhren über einen Felsbrocken, und einen Moment schwebten sie alle in der Luft. »Oh!« Clare krallte sich an ihrem Sitz fest. »Hat BWI denn einen eigenen Piloten?«
    »John Opperman fliegt selber«, rief Waxman über das Knirschen der Kupplung hinweg. » Er braucht ja auch diese Flexibilität; er pendelt dauernd zwischen hier, Baltimore und anderen Projekten hin und her.«
    »Er erledigt die Klinkenputzerei«, brüllte Ray mit einem Grinsen.
    Sie schlingerten in eine Spurrinne, dass der Jeep sich fast überschlug, und dann waren sie wieder draußen am oberen Rand der Baustelle, wo Waxman die aufgeschütteten Rampen hinunterraste. Auf dem Belegschaftsparkplatz, jener Kollektion von Pick-ups und alten Autos, kam er zum Stehen.
    »Ich muss ins Labor mit dem Zeug«, erklärte er, während Ray hinauskletterte und für Clare den Sitz vorklappte. »War nett, Sie kennen zu lernen, Reverend. Ray, wir laufen uns hier wieder über den Weg.« Er wartete kaum, bis Clare draußen war, legte den Gang ein und verschwand

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