Die roten Blueten von Whakatu - Ein Neuseeland-Roman
herumärgern müssen.«
Dieser Vorschlag stieß auf allgemeine Zustimmung, und so stießen alle an und tranken.
In der vergangenen Woche hatte die Verhandlung vor dem Friedensrichter stattgefunden. Die Beweise gegen Seip waren erdrückend gewesen. Dass er Lina in der Wildnis mit einer Waffe bedroht hatte, konnte man zwar nicht nachweisen, dafür sprach vieles andere gegen ihn. Wegen Verleumdung und übler Nachrede war er zu einer Zahlung von fünfzig englischen Pfund verurteilt worden. Lina glaubte zu träumen, als sie das Urteil hörte. Vor allem als ihr von dieser Summe ein großer Teil als Schmerzensgeld zugesprochen wurde. Das war mehr, als sie ihm schuldeten! Beide Summen wurden miteinander verrechnet und Lina konnte ihr triumphierendes Lächeln nicht zurückhalten, als Seip ihr daraufhin zähneknirschend den Restbetrag auszahlen musste.
Danach blieb Seip nicht mehr lange in Nelson. Er verzichtete sogar darauf, die Frauen anzuzeigen, die ihn angegriffen hatten. Dass diese ihn in ihrem Zorn fast gelyncht hatten, hatte ihm offenbar eine Heidenangst eingejagt. Und so hatte er vor wenigen Tagen ein Schiff nach Australien bestiegen und war abgereist. Niemand weinte ihm eine Träne nach.
Damit hatte sich auch die Frage nach Alexanders Vormund geklärt. Da Seip dafür nicht mehr infrage kam, hatte sich Pastor Heine bereit erklärt, dieses Amt zu übernehmen, bis Alexander einundzwanzig und damit volljährig sein würde.
Lina sah, dass Alexander ihr immer wieder verstohlene Blicke zuwarf. Sie tat, als bemerke sie diese nicht, und versuchte, das Lächeln zu unterdrücken, das sich ständig auf ihrem Gesicht breitmachen wollte. Da sie zwischen Pastor Heine und Rieke saß, hatte sie ohnehin keine Möglichkeit, ungestört mit ihm zu reden. Immer wieder musste sie sich zurückhalten, nicht mit den Händen an ihren Hinterkopf zu fahren, wo sie jetzt nur noch einen einfachen Zopf trug und nicht mehr den strengen Haarknoten.
Als alle gegessen hatten, erhob sie sich und forderte ihre kleine Schwester auf, ihr beim Abräumen des Geschirrs zu helfen.
»Nein, warte, ich mache das.« Alexander war schon aufgesprungen, griff nach einem Teller und folgte Lina ins Haus.
Dort stellte er das Geschirr achtlos auf den Küchentisch. »Du schuldest mir noch eine Antwort«, sagte er.
Es war nicht das erste Mal, dass er danach fragte. Lina lächelte in sich hinein, nahm den Teller vom Tisch und stellte ihn in die Spülschüssel. »Tue ich das?«
»Allerdings.«
Sie drehte sich um und wollte zur Tür gehen, doch er verstellte ihr den Weg. Sie versuchte, ihn beiseitezuschieben. »Ich muss wieder nach draußen, Alex. Der Tisch steht noch voller Geschirr.«
Er ließ sie nicht vorbei. »Jetzt lass doch das blöde Geschirr sein. Nicht, bevor ich eine Antwort habe.«
»Aber …« Sie zögerte. »Es gibt noch so vieles, was geklärt werden muss.«
»Ich weiß. Das werden wir ja auch.«
Sie sah ihn an, ihr Herz schien plötzlich zu stolpern. »Du willst es also wirklich?«
Er nickte und strahlte sie an.
»Nun, dann …« In Linas Bauch stieg ein warmes Gefühl auf. Sie hatte sich ja schon längst entschieden. »Dann also: ja. Sehr, sehr gerne.«
Alexanders Seufzer war so tief, dass man ihn sicher bis nach draußen hörte. Dann zog er sie an sich und küsste sie.
Ein Räuspern ließ sie auseinanderfahren. Pastor Heine stand in der Stube, weitere leere Teller in der Hand.
»Es ist ja nicht zu übersehen, wie verliebt ihr beiden seid.« Der Pastor ging an ihnen vorbei und stellte die Teller in die Spülschüssel. »Dennoch wäre es schön, wenn ihr euch damit etwas zurückhaltet. Schließlich seid ihr nicht verheiratet.«
»Noch nicht, Pastor.« Alexander lachte. »Aber bald. Sie hat Ja gesagt!« So ausgelassen hatte sie ihn selten erlebt. »Das heißt – sofern Sie einverstanden sind. Aber das sind Sie doch, oder?« Als sein Vormund musste Pastor Heine seine Zustimmung zu einer Heirat geben.
Pastor Heine kratzte sich am Kinn. »Grundsätzlich schon. Aber ihr müsst noch eine ganze Weile damit warten.«
»Vielleicht aber auch nicht«, gab Alexander mit triumphierendem Unterton zurück.
»Nicht?«
»Ja, es ist nämlich so …« Er sah Lina an, dann den Pastor. »Nun ja, Lina hat mir erzählt … Also …« Jetzt geriet auch er ins Stocken. Ganz so, wie es ihr selbst gegangen war, als sie vor einigen Tagen versucht hatte, es ihm zu erklären. »Pastor, darf ich Ihnen eine Frage stellen? Eine rein theoretische?«
»Nur
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