Die roten Blueten von Whakatu - Ein Neuseeland-Roman
Hosen.
»Und dreimal am Tag gab es eine Parade«, fuhr Alexander fort. »Inklusive Musik und Trommelwirbel. Strammstehen und das Gewehr präsentieren. Und nicht zu vergessen, laden und schießen.« Er blickte auf. »Julius, die Kurbel!«
Der Junge drehte eifrig weiter.
»Das ganze Bataillon soll irgendwann mal aus zwei mal fünfzig Männern bestehen«, sagte Alexander, als er bei Lina die nächste Fuhre Apfelschnitze holte. »Sie nennen sich das Bürgerwehrbatallion von Nelson. Ein Haufen ungeschulter Freiwilliger, denen man Waffen in die Hände drückt, und glaubt, sie könnten damit die Stadt verteidigen.«
»Du hältst nicht viel davon?«, fragte Lina.
Er schnaubte. »Nein. Nicht, wenn sie noch immer glauben, alle Maori wären kriegslüsterne Wilde.«
Ein vergnügter Aufschrei von Julius ließ sie beide herumfahren. Rieke hatte Julius mit Wasser vollgespritzt, und nun beugte sich der Junge seinerseits über den Bottich und planschte wild darin herum. Die kleine Sophie lief fröhlich kreischend umher und die Hühner gackerten lautstark. Der Boden um den Bottich herum war nass und voller Schlamm. Erst die Drohung, später nichts von dem süßen Saft zu bekommen, ließ die Kinder schließlich mit ihren Streichen aufhören.
Die zermahlenen Äpfel kamen in die Presse. Rieke durfte als Erste am Hebel drehen, um den Deckel nach unten zu drücken, und jubelte auf, als der Apfelmost sich schäumend in einen Eimer ergoss. Als alle Äpfel ausgepresst waren, wurde der Most in ein paar große Holzfässer gefüllt und mit einem Deckel verschlossen. Eine Öffnung, durch die ein Röhrchen ragte, sorgte dafür, dass der Überdruck entweichen konnte. Alexander war sich nicht sicher, ob er alles richtig machte, schließlich hatte sein Vater sich größtenteils allein um die Herstellung des Apfelweins gekümmert. Aber schließlich war auch das letzte Fass gefüllt und wurde zum Gären in die Kelterhütte gestellt. Nur einige Flaschen behielten sie für sich, und an diesem Abend tranken sie sich satt an dem fruchtigen Most.
Kapitel 27
Ein kräftiger Wind wehte, brachte salzige Luft vom Meer und zupfte Strähnen aus Linas Haarknoten. Wahrscheinlich sah sie schon wieder völlig derangiert aus. Sie löste ein paar Klammern und begann, die losen Strähnen wieder festzustecken.
»Mach sie doch auf«, sagte Alexander neben ihr, während er sich einen dick gepolsterten Handschuh anzog. »Mir gefällt es ohnehin besser, wenn deine Haare offen sind.«
Lina hielt inne, die Arme hinter dem Kopf. »Meinst du wirklich? Wird man mich nicht für ungehörig halten?« Sie hatte schließlich schon den Schleier weggelassen, und sie war sich nicht sicher, ob sie als Witwe im Trauerjahr überhaupt hier erscheinen durfte.
Alexander grinste. »Ich glaube kaum. Spätestens, wenn das Spiel losgeht, wird niemand mehr darauf achten, ob deine Haare nun ordentlich liegen oder umherflattern wie bei einer wilden Meeresbraut.«
Lina grinste zurück. Viele Einwohner Nelsons hatten heute früher Feierabend gemacht und sich an diesem windigen Freitagnachmittag am Rand des ovalen Feldes versammelt, auf dem heute ein Kricketspiel stattfinden sollte. Vor allem in England und seinen Kolonien erfreute sich dieser Sport großer Beliebtheit, in Nelson gab es sogar schon seit drei Jahren einen Kricketklub. Am Rand des Spielfelds lag ein großer Haufen von Steinen, die viele Hände in mühevoller Arbeit vom Platz entfernt hatten. Auch Rieke und Julius hatten dabei mitgeholfen.
Lina zögerte nur kurz. Dann hob sie die Hände an den Hinterkopf und zog entschlossen auch die restlichen Klammern aus ihrem Haar. Ganz auflassen wollte sie ihr Haar allerdings nicht, also flocht sie schnell einen einfachen, dicken Zopf.
»Schon viel besser!«, nickte Alexander.
»Wieso trägst du eigentlich Handschuhe?«, fragte sie. »Keiner von den anderen Spielern tut das.«
Er lächelte überlegen. »Weil ich der wicketkeeper bin. Das ist derjenige, der den Ball fängt, falls der Schlagmann nicht trifft.«
»Aha«, machte Lina. Er hatte zwar versucht, ihr die Regeln zu erklären, aber das Spiel war so kompliziert, dass sie schon nach seinen ersten Worten kaum noch etwas verstanden hatte.
Sie winkte, als sie unter den Zuschauern Appo Hocton entdeckte. »Ich komme gleich wieder, du wicketkeeper .«
Sie steuerte auf den jungen Chinesen zu und bedankte sich für die Bücher, die er ihr ins Gefängnis geschickt hatte. »Sobald ich sie ausgelesen habe, werde ich sie
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