Die Rueckkehr
dem Brandzeichen klebte ein kleines vergilbtes Stück Papier auf der Unterseite der Schublade. Ein mit Schreibmaschine ausgefülltes Formular, verblichen, aber lesbar:
KINGSFIELD STEHKOMMODE
MODELL DELUXE B-2915 FÜR DEN HERRN
MASSGEFERTIGT FÜR MASTER ABEL TEAGUE
ALS GESCHENK VON SEINEM VATER
COLONEL JUBAL TEAGUE
LIEFERUNG ZU WEIHNACHTEN
Reed hielt die Taschenlampe noch eine Weile auf die Schublade gerichtet, dann legte er sie auf dem Boden ab.
War es dies, was Leah Searle entdeckt hatte? Wenn ja, musste es einen einfacheren Weg in diesen Raum geben, ohne dass man zwei Wände eintrat. Aber dies war ein Beweis dafür, dass Abel Teague … was getan hatte?
Im Candleford House gewohnt, oder sich zumindest in diesem Raum aufgehalten, wenn er in Gracie war, mindestens bis ins Jahr 1930? Clara Mercers Zwangseinweisung nach Candleford House trug das Datum vom 14. Juni 1924.
Weil das Stadtarchiv von Niceville 1935 ausgebrannt war, wusste niemand, wer diese Anordnung unterzeichnet hatte. Die Unterlagen waren zerstört worden. War Leah Searle an eine Abschrift gekommen? Wenn ja, was würde sie beweisen?
Nun, zum einen könnte sie beweisen, dass Abel Teague dafür gesorgt hatte, dass man Clara Mercer von den Ruelles wegholte und sie hierher nach Candleford House brachte, als sein Spielzeug und seine Gefangene. Was nach allem, was er ihr schon angetan hatte, eine derartige Verfeinerung seiner sadistischen Grausamkeit darstellen würde, dass man kaum noch darüber nachdenken mochte. Es würde bedeuten, dass Clara Mercer sieben Jahre lang in Candleford House weggeschlossen war und dort von Händen eben jenes Mannes, der ihr schon in all den Jahren zuvor das junge Leben zerstört hatte, unaussprechliche Gewalttaten erdulden musste. Aus dem Schubladenpapier ließ sich schließen, dass Teague noch immer hier wohnte oder zumindest regelmäßig hier war, als Clara schwanger wurde. Clara hatte sich im Jahr 1931 in den Crater Sink gestürzt.
Konnte es sein, dass Abel Teague kurz darauf abgereist war, und zwar so fluchtartig, dass er ein Familienerbstück vergaß, ein Geschenk seines Vaters, und es hier verrotten ließ?
Das würde jedenfalls erklären, warum Glynis Ruelle einen Hass auf Abel Teague im Herzen trug, der ihr bis ans Ende ihrer Tage die Seele schwarz versengt hätte. Aber Glynis Ruelle war im Jahr 1939 gestorben.
Und das war jetzt alles vorbei und vergessen.
Warum hätte diese Geschichte Miles wichtig genug sein sollen, dass er ihretwegen Leah Searle und seine eigene Frau umbrachte? Und sich dann mit einer antiken Purdy den Kopf wegblies? Ganz Niceville wusste, dass Miles Teague einen bösen Vorfahren hatte. Die bittere Erinnerung an die Verbrechen von London Teague war der Grund, dass der Golf- und Country-Club von Niceville nach Anora Mercer benannt worden war.
Wessen Unterschrift stand auf dem Einweisungsbescheid? Und warum bewohnte Abel Teague das schönste Zimmer von Candleford House? Diente ganz Candleford House der persönlichen Belustigung von Abel?
Ein ganzes Krankenhaus voller Opfer, und im obersten Stockwerk eine aufwendige Einrichtung, die seine perversen Bedürfnisse befriedigen sollte. Warum hätte die Leitung von Candleford House so ein Risiko eingehen sollen?
Es sei denn, Candleford House wäre überhaupt erst mit Abel Teagues Geld eingerichtet worden. Und unterhalten worden. Hatte er die Angestellten bezahlt, die Wärter und Quacksalber? War das Feuer im Stadtarchiv mit dem Geld der Teagues entzündet worden? Wenn der übelste private Höllenpfuhl der ganzen Südstaaten mit dem Geld der Familie Teague erschaffen und unterhalten worden war, würde Miles Teague dann Leah Searle und seine eigene Frau umbringen, um dieses Geheimnis zu bewahren?
Aber sicher doch.
Reed drehte sich um und wollte gehen.
Mitten im Zimmer stand eine junge Frau. Sie erstrahlte im Mondlicht, das durch die Fenster schien. Sie war barfuß und trug ein Kleid aus hauchdünnem Stoff. Im Mondlicht sah es grau aus, aber es konnte auch grün sein. Sie war blass, aber hübsch, mit großen Augen und langen rotbraunen Haaren. Unter dem Kleid war sie nackt, und der Mond zeichnete die Umrisse ihres schönen Körpers nach. Sie warf keinen Schatten auf den Boden vor sich. Ihre Hände ruhten verschränkt auf dem runden Bauch. Sie blickte Reed mit einem seltsamen Gesichtsausdruck an, und Reed merkte, dass es Neugier war.
Mein erstes Gespenst , war der Gedanke, der sich in Reeds Kopf bildete. Er spürte keine Furcht, er
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