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Die Rueckkehr

Die Rueckkehr

Titel: Die Rueckkehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Stroud
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wollte nur ganz stillhalten und keinen Mucks machen, damit das Bild nicht flackerte und verschwand. Die Frau blickte sich im Zimmer um, dann sah sie wieder ihn an.
    »Wer bist du?«, fragte sie.
    Ihr Akzent war reinstes Savannah, ihre Stimme tief, leise und klar.
    »Ich heiße Reed Walker.«
    Sie schien nachzudenken.
    »Deine Mutter ist Lenore, nicht wahr?«
    »Ja.«
    »Sie ist jetzt bei Glynis. Sie ist glücklich.«
    »Ist mein Vater dort?«
    »Nein. Es tut mir leid. Nichts hat ihn mitgenommen. Nichts behält ihn bei sich. Nichts gibt nichts wieder her. Nichts ist jetzt hier. Spürst du es nicht? Du musst fort.«
    »Bist du Clara Mercer?«
    »Ja. Früher habe ich hier gelebt. Jetzt bin ich bei Glynis. Warum bist du hier?«
    »Ich will wissen, was hier geschehen ist.«
    Sie blickte sich um.
    »Schreckliche Dinge sind hier geschehen. Abel hat hier gewohnt. Lange habe ich hier mit ihm zusammengewohnt. Und mit Nichts. Sie haben sich an mir geweidet. Sie waren ein Ding und kein Ding zugleich. Sie sind es immer noch.«
    »Warum bist du hier?«
    Sie blickte sich um.
    »Ich komme hierher, damit ich wieder weiß, dass ich nicht mehr hier bin. Manchmal vergesse ich es. Wenn ich herkomme, fällt es mir leichter, mich daran zu erinnern, sagt Glynis. Aber ich werde nicht bleiben. Auch du solltest gehen.«
    »Abel Teague lebt noch, hast du gesagt?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Nein. Nicht so wie du denkst. Nicht so wie du und ich am Leben sind. Glynis lässt ihn bei sich die Felder umgraben. Er leidet dort. Und richtet in der Welt keinen Schaden an. Manchmal gehe ich aufs Feld und sehe ihm zu. Aber Nichts will ihn wieder holen. Durch den Jungen. Du musst dafür sorgen, dass dies nicht geschieht.«
    »Wie kann ich das tun?«
    »Nichts benutzt den Jungen, um Abel zurückzuholen. Er verwandelt sich schon. Du musst es aufhalten.«
    »Wie?«
    »Noch hat er die Kraft, sich von diesem Pfad abzuwenden. Wenn er es nicht tut, musst du ihn töten.«
    Sie wandte den Kopf, stand ganz still.
    »Nichts ist hier. Ich muss fort. Du auch.«
    »Warum?«
    »Weil Nichts an dich denkt.«
    Und damit war sie verschwunden.
    Aber das Zimmer war nicht leer. Es war, als würde ein Kompressor Luft in den Raum pumpen. Reed spürte, wie sich ein Druck auf seine Haut legte, auf seine Lungen, seine Kehle. Seine Ohren schmerzten, als sinke er in die Tiefsee. Der Druck stieg vom Boden auf und bedrängte ihn von den Wänden her.
    Reed trat rückwärts ans Fenster, den Blick in den Raum. Kein Laut war zu hören. Die Stille war niederschmetternd. Reed konnte seinen eigenen Herzschlag nicht hören, aber er spürte das Hämmern seines Herzens in der Brust. Er hatte das Gefühl, dass die Stille und der Druck Teil des gleichen Wesens waren. Und es war jetzt ganz nah, berührte ihn fast. Es hing in der Luft, ein paar Zentimeter vor seinem Gesicht. Und es hatte Verstand . Kalt, fremdartig und radikal verschieden von Reed Walker und seiner Art.
    Er hatte das Gefühl, dass er genau untersucht wurde.
    Erwogen .
    Abgeschätzt .
    Er wusste, wenn er den Mund öffnete, würde das stumme Wesen sich in ihn ergießen, immer dort bleiben und ihn aussaugen. Er nahm den Bolzenschneider, schlug das Glas ein und machte einen Salto rückwärts aus dem Fenster. Er stürzte lange, bis er in den Zweigen einer Virginiaeiche aufschlug, weiter fiel, auf den nächsten Ast prallte, ihn zu packen bekam und dann spürte, wie er nachgab, und wieder fiel er durch die Luft, die Zweige peitschten ihn, und dann gab es keine Zweige mehr – ein Augenblick lautlosen Stürzens – er schlug hart im Gras auf, prallte ein Mal ab und verlor das Bewusstsein.

Endicott besucht die Schwarze Witwe
    Die frischgebackene Witwe von Frankie Maranzano war nun – abgesehen von Frankie Secondo, dem pupsenden Chihuahua – die einzige Bewohnerin von Frankie Maranzanos zweigeschossiger Dreihundert-Quadratmeter-Penthouse-Suite in einem vierundsechzigstöckigen grünen Glasobelisken namens The Memphis. Frankie hatte zwar Bedienstete im Gebäude – käufliche Schlägertypen und Pistolenhelden –, aber Delores wollte nicht mit ihnen allein sein, bevor sie wusste, für welche Seite sie sich entscheiden würden. Also hielt sie sie mit den Beerdigungsvorbereitungen für Frankie und Little Ritchie beschäftigt und spielte so lange die untröstliche Witwe im Penthouse.
    Nicht, dass sie nicht um Frankie und Ritchie getrauert hätte. Lange Jahre waren Frankie und Delores sehr glücklich gewesen. Und dann waren sie einander

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