Die Rückkehr der Jungfrau Maria - Roman
paar Mal und packten dann zusammen.
»Bist du zufrieden?«
»Merkt man das nicht?«
»Doch.«
Sie strahlte vor Glück. Am selben Tag hielten wir noch zwei weitere Vorstellungen. Beide waren viel besser besucht als die erste. Bei der Abendvorstellung kletterten die Leute auf die Bäume auf dem Marktplatz und liehen sich in den angrenzenden Restaurants Stühle, um sich daraufstellen und besser sehen zu können. Die Bewohner des Viertels und die Geschäftsinhaber rund um den Platz hatten uns die Explosion verziehen, und die höhnischen Bemerkungen verwandelten sich in Lobeshymnen.
VI
»Mochtest du deinen Vater sehr?«
»Ja«, sagte Maria und nestelte an der Tischdecke.
Wir saßen in einem Café am Marktplatz, um uns nach der Abendvorstellung zu entspannen. Ich hatte Maria gefragt, wie die Spiegelnummer funktioniere, aber als ich merkte, dass sie nicht darüber reden wollte und nur mit einem Glänzen in den Augen schwieg, sprachen wir über andere Dinge. Im Lauf des Abends stellten wir fest, dass wir viele Gemeinsamkeiten hatten. Zum Beispiel hatten wir beide sehr früh unsere Eltern verloren. Ich hatte meine verloren, als ich noch in der Wiege lag, und konnte mich nicht an sie erinnern. Marias Mutter war kurz nach ihrer schwierigen Geburt gestorben, und ihr Vater war aus unbekannter Ursache verstorben, als sie vierzehn Jahre alt war. Maria schien es nicht leicht zu fallen, über ihre Eltern zu sprechen, daher stellte ich ihr nicht allzu viele Fragen und schwieg, um ihr die Chance zu geben, das Thema zu wechseln.
Nach einer Weile hörte sie auf, die Tischdecke zu befingern.
»Aber das ist schon seltsam.«
»Was?«
»Ach, spielt keine Rolle.«
Sie begann wieder, an der Decke zu nesteln.
»Ich habe aber den Eindruck, dass es durchaus eine Rolle für dich spielt.«
»Es ist seltsam, weil er nicht mein Vater war.«
»Wie?«
»Und meine Mutter war nicht meine Mutter.«
»Na klar, wenn dein Vater nicht dein Vater war, dann war deine Mutter nicht deine Mutter.«
Maria schaute mich ernst an, musste aber grinsen, als sie meinen Gesichtsausdruck sah.
»Du verstehst mich nicht.«
»Doch, doch, ist ja völlig klar. Ich kapiere nur eine Sache nicht ganz.«
»Was?«
»Über wen sprichst du eigentlich?«
»Über meine Eltern.«
»Verstehe.«
Wir kicherten, und als sie fortfuhr, fiel es ihr nicht mehr ganz so schwer, über ihre Familie zu sprechen.
»Also, pass auf. Sie haben lange erfolglos versucht, ein Kind zu bekommen, bis meine Mutter zum Frauenarzt ging. Der meinte, ihre Eierstöcke seien unfruchtbar, und dann ließ sie eine In-vitro-Befruchtung durchführen, durfte aber nicht erfahren, woher das Ei kam, damit es später deshalb keine Schwierigkeiten geben würde. Aber es klappte nicht. Deshalb ließ sich mein Vater untersuchen und erfuhr, dass sein Sperma unfruchtbar war. Danach wurde meiner Mutter ein neues Ei eingepflanzt, das mit Sperma aus einer Samenbank befruchtet worden war, und sie erfuhr wieder nicht, von wem das Sperma stammte. Das wussten noch nicht mal die Ärzte.«
»Damit es später keine Schwierigkeiten geben würde?«
»Genau, und dann kam ich auf die Welt.«
»Und hast das Rätsel gelöst.«
»Aber das ist die Wahrheit.«
»Ist das denn schlimm? Ich meine, ist es nicht einfach in Ordnung so?«
»Und wer bin ich dann?«
»Na, du bist Maria. Rätsel gelöst.«
Am nächsten Tisch saß ein Mann mittleren Alters und las Zeitung.Er hatte uns eine Zeitlang aus dem Augenwinkel beobachtet, wandte sich nun an uns und fragte:
»Habe ich richtig gehört? Heißen Sie Maria?«
»Ja«, antwortete Maria.
»Dann sollten Sie vielleicht einen Blick in die Zeitung werfen.«
Maria und ich schauten den Mann fragend an, und er gab mir die Zeitung. Dann stand er auf und zog seinen Mantel an.
»Danke für die unvergessliche Vorführung.«
Er nickte uns zu, lächelte freundlich und ging. Maria und ich tauschten einen fragenden Blick.
»Da steht bestimmt was über die Explosion«, vermutete Maria. »Wahrscheinlich.«
Ich blätterte die Zeitung durch und stieß auf ein Foto. Es zeigte eine schöne junge Frau auf einem erhöhten Stuhl zwischen dicht besetzten Zuschauerbänken mit überwiegend älteren Männern, die die Frau anstarrten. Das Bild war gestochen scharf, nur die Umrisse der Frau waren in eine Art Nebel gehüllt. Ich musterte das Foto genauer.
»Verdammt noch mal, diese Frau sieht dir ähnlich.«
Maria betrachtete das Bild und erblasste.
Ich las die Überschrift: »
Reinkarnation der
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