Die Rückkehr der Jungfrau Maria - Roman
in Flammen aufgegangen war, denn es kamen nicht besonders viele Zuschauer. Wir mussten alles geben, um sie bei Laune zu halten und uns gegen höhnische Bemerkungen zu wappnen:
»Passt auf, gleich explodiert der Feuerschlucker!« oder »Seht nur, gleich grillt der Zauberer die Taube am Spieß!«
Daher war ich sehr nervös, als die Spiegelnummer an die Reihe kam, zumal ich keine Ahnung hatte, worauf sie hinauslaufen sollte. Maria war hinten und zog sich um, während ich meine Zaubervorführung beendete. Als sie orientalische Musik einschaltete, kündigte ich die nächste Nummer an:
»Liebe Zuschauer, Sie sind auserwählt, denn Sie haben die Ehre, einem neuen Zaubertrick beizuwohnen, ja, einem Zaubertrick, der noch nie vorgeführt wurde, und, meine Damen und Herren, er heißt:
Die sieben tanzenden Schleier
!«
Ich muss zugeben, dass es mir ziemlich schwerfiel, überzeugend zu klingen. Maria erschien in dem Perlenbikini, den sie sich auf mein Geheiß am ersten Tag gekauft hatte, und tanzte langsam zum Klang der hypnotisierenden Musik. Die Männer stießen begeisterte Rufe aus und einer schrie:
»Das ist wahre Magie!«
Ihre Schönheit allein ist schon Unterhaltung genug
, dachte ich,
aber was ist denn nun der Trick?
Maria hatte ein Lied ausgewählt, das langsam anfing, dann nach und nach immer schneller wurde, für einen Moment abrupt aufhörte und erneut einsetzte, etwas schneller als am Anfang. Das Lied hatte sieben Pausen. Bei der ersten nahm Maria den Schleier über dem ersten Spiegel in die Hand, und als das Lied wieder einsetzte, zog sie ihn herunter und tanzte weiter. Sie knotete sich den ersten Schleier um den einen Oberschenkel, den zweiten um den anderen Oberschenkel und den dritten um den Hals. Ich verstand immer noch nicht, worauf die Nummer hinauslaufen sollte. Als sie den Schleier vom vierten Spiegel zog, merkte ich, dass die Zuschauer aufgeregt flüsterten und auf etwas zeigten. Etwas schien sie zu faszinieren. Maria band sich den vierten Schleier ins Haar und den fünften um die Taille. Einige Zuschauer fingen im Takt an zu klatschen. Da ich neben den Spiegeln stand, konnte ich nicht sehen, was die Begeisterung auslöste, genoss es einfach nur, Maria beim Tanzen zuzuschauen. Sie ließ sich vom Publikum überhaupt nicht in ihrer Konzentration stören – bis eine alte Bettlerin auf die Knie fiel, sich bekreuzigte und die himmlischen Mächte anflehte. Ich sah, dass Maria irritiert war, aber so tat, als bemerke sie die Frau nicht. Sie hielt den sechsten Schleier in der Hand, aber erst, als sie ganz nah an mich herankam und den siebten Schleier mit der anderen Hand ergriff, sah ich, was die Zuschauer faszinierte. Im Spiegel waren lediglich sieben tanzende Schleier zu sehen, aber keine Frau.
Ich starrte lange in die Spiegel und versuchte herauszufinden, wie sie das machte. Spiegel werden oft bei Zaubertricks verwendet, aber so, wie Maria sie benutzte, brach sie alle traditionellen Regeln. Meistens werden sie einander diagonal gegenüber gestellt,damit eine Person oder ein Teil von ihr an einer anderen Stelle zu sein scheint. Aber da stand Maria quicklebendig in echt, war aber nicht in den Spiegeln. Wie konnte sie einen Spiegel benutzen, um ihr Spiegelbild verschwinden zu lassen? Ich verstand das einfach nicht. Mit heiserer Stimme rief ich:
»Meine Damen und Herren, wo sonst können Sie solche Zaubertricks sehen wie in
Michaels und Marias Zirkus
? Wo sonst gibt es eine Nummer, die sich mit den sieben tanzenden Schleiern vergleichen lässt?«
Die Zuschauer waren begeistert. Maria gab mir ein Zeichen, die Leute zur Ruhe zu bringen, und ich bat um ihre Aufmerksamkeit. Maria löste alle Schleier und hielt sie sich an den Hals, sodass sie an ihr hinabfielen wie ein Kleid in sieben Farben. Von ihrem Körper war nur noch der Kopf zu sehen, und als sie so umherging, sah es aus, als folge ihr in den Spiegeln ein siebenfarbiges Gespenst. Die Musik erreichte ihren Höhepunkt und ging zu Ende. Als die letzten Töne verklangen, ließ Maria die Schleier auf den Boden fallen, blieb kurz reglos stehen und verschwand dann hinten. Für einen Moment war es mucksmäuschenstill, dann setzte tobender Applaus ein. Ich hob die Schleier auf und hängte sie über die Spiegel, wie Maria mich angewiesen hatte. Dann kam sie zurück, verbeugte sich und ging mit der Büchse durchs Publikum. Die Leute gaben ihr keine Münzen, sondern Scheine. Kurz darauf stellte Maria die Büchse auf die Straße und ging zur Wurfscheibe. Unter den
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