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Die Rückkehr der Jungfrau Maria - Roman

Die Rückkehr der Jungfrau Maria - Roman

Titel: Die Rückkehr der Jungfrau Maria - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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der Geschworenen.
    Ich wurde von der Anklage der Ermordung Salomes aus Mangel an Beweisen freigesprochen. Die Anklage der illegalen Befreiung Marias aus der Untersuchungshaft wurde aufgrund von Formfehlern abgewiesen. Niemand konnte beweisen, wer Maria war, und bei näherer Untersuchung der Indizien hatte sich herausgestellt, dass es keine Bilder mehr von ihr gab. Sie war nichts als eine wundersame Erinnerung einiger, während sie von Amts wegen nicht existierte und nie existiert hatte. Ich war frei.

XIV
    Gegen Mitternacht kam ich nach Hause nach Blomsterfeld und parkte den Wagen auf dem Kiesweg im Wald oberhalb des Hauses, damit Margret mich nicht bemerkte. Obwohl es stockdunkel war, folgte ich aus alter Gewohnheit dem Pfad. Die Rotdrosseln schliefen, und es herrschte Totenstille. Ich trat durch die Hintertür in die alte Scheune, die Samuel und ich uns als Varieté-Theater eingerichtet hatten, als ich ein Jugendlicher war. Die Scheune war fensterlos. Ich schaltete das Licht ein und schaute hinauf zu den Trapezen. Ich erinnerte mich daran, wie leicht es mir gefallen war, drei Salti zu schlagen, und wie oft ich versucht hatte, vier hinzubekommen, ohne Erfolg. Samuel sagte mir, ich solle damit aufhören, man habe berechnet, dass es unmöglich sei, an einem Trapez vier Salti zu schlagen. Trotzdem gab ich nicht auf und meinte oft, sehr nah an einen Extrasalto heranzukommen. Vielleicht schaffte ich es jetzt. Ich fand ein rostiges Messer, wetzte es und schnitt das Sicherheitsnetz durch. Dann kletterte ich auf den Turm und zog das eine Trapez zu mir heran. Ich spuckte in die Hände und umfasste den Griff, sprang ab und ließ mich vom Trapez tragen. Mehrere Minuten lang holte ich Schwung, bis die Drähte geschmeidiger wurden. Für einen Augenblick blieb ich fast bewegungslos unter dem Dach der Scheune und blickte zu dem anderen Trapez hinüber. Es war so weit. Genau im richtigen Moment ließ ich los.
    Es war machbar, vier Salti an einem traditionellen Trapez zu schlagen. Dieses Wissen bereitete mir jedoch nicht die geringste Freude, und ich wollte es mit fünf Salti probieren. Aber fürs Erste hatte ich das Interesse an dem Trapez verloren und wandte mich dem Hochseil zu. Ich wollte unbedingt wissen, wie lange man aufdem Seil stehen konnte, ohne herunterzufallen. Außerdem musste ich herausfinden, ob es möglich war, stehend in zehn Metern Höhe auf dem Seil zu schlafen, denn ich war müde. Nachdem ich das Seil gespannt hatte, ging ich in die Mitte und schloss die Augen.
    Es fiel mir nicht leicht, einzuschlafen, denn ich konnte mich nicht richtig entspannen. Nach ein paar Stunden reinigte sich mein Körper. Ohne dass ich mich dagegen wehrte, leerten sich mein Darm und mein Magen durch Stuhlgang und Erbrechen. Kurz darauf schlief ich ein und begann zu träumen.
    Ich lag ausgestreckt in einer sargförmigen Kiste eingeschlossen. Über der Kiste war eine dicke, braune Glasplatte. Durch das Glas konnte ich ein großes Zimmer voller Roboter erkennen. An der Zimmerdecke war ein riesiger Spiegel angebracht, und als ich durch das matte Glas blickte, sah ich darin mein eigenes Abbild. Obwohl ich mit aller Kraft gegen den Glasdeckel drückte, konnte ich ihn nicht bewegen.
    Maria wurde nackt von vier kräftigen Wächtern in den Raum geführt. An Armen und Beinen trug sie Handschellen mit Eisenstangen, die jeweils von einem Wächter festgehalten wurden. Sie führten sie in meine Richtung, bis sie ausdruckslos auf mich hinunterschaute. Ich rief ihren Namen und versuchte, sie auf mich aufmerksam zu machen, aber sie schien mich nicht zu bemerken. Die Wächter drehten sie halb im Kreis und zwangen sie dann, sich mit dem Rücken auf das Glas zu legen. In der Kiste wurde es dunkel, und ich konnte Maria nicht mehr erkennen, sah nur ihr glänzendes Haar auf dem Glas über mir. Ich reckte meinen Hals zur Seite, spähte zwischen Marias Haarlocken nach oben und konnte so in den Spiegel über ihr schauen. Darin sah ich, wie sich in gleichmäßiger Geschwindigkeit aus allen Richtungen Roboter auf das Glas zubewegten. Ich wusste, dass sie auf Maria zusteuerten, obwohl ich sie nicht im Spiegel sah. Das Einzige, was ich tunkonnte, um sie vor ihnen zu retten, war, die Glasplatte hochzuheben. Ich stemmte meine Knie und Ellbogen dagegen, drückte mit aller Kraft. Die Last war zu schwer für mich, aber ich spürte, dass es unerträglich für mich wäre, wenn mir diese Aufgabe nicht gelänge, und so hob ich die Glasplatte mit Maria an. Im selben Moment

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