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Die Rückkehr der Jungfrau Maria

Die Rückkehr der Jungfrau Maria

Titel: Die Rückkehr der Jungfrau Maria Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bjarni Bjarnason
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Beifahrerseite saß ein großer Mann mit Adlernase und schwarzer Kopfbedeckung. Er blickte durch eine kleine Scheibe in der Trennwand zwischen Vorder-und Rückbank nach hinten in den Wagen. Es war Jean Sebastian.
    Wenn Maria da drin ist, sitzt sie in der Mitte zwischen den Bewachern und nicht am Fenster , dachte ich, bevor ich mit voller Wucht die Scheibe in der Hintertür eintrat.
    Mein Fuß landete im Gesicht des Mannes am Fenster, und im Wagen brach lautes Geschrei aus. Ich beugte mich hinunter und schaute in den Wagen, direkt in Marias Augen. Sie saß alleine auf einem Sitz gegenüber der Rückbank. An ihren Handgelenken waren Eisenstangen befestigt, die von ihren Bewachern festgehalten wurden. Der, den ich getreten hatte, war anscheinend bewusstlos. Der zweite brüllte mich an und tastete nach seiner Waffe. Ich packte den Türgriff und wollte die Tür aufreißen, als das Auto einen Satz nach vorn machte und dann abrupt wieder abbremste, um nicht auf den davorstehenden Wagen zu prallen. Ich hechtete hinterher, riss die Tür auf, bückte mich und wollte einsteigen, als ich in einen Pistolenlauf starrte. Maria sah mich tränenüberströmt an und sagte dann mit so leiderfüllter Stimme, dass es mir das Herz zerriss:
    »Alles Gute, Michael.«
    Dann passierte alles auf einmal: Ein Schuss fiel, der Wagen raste nach hinten, die Tür prallte gegen mich und schleuderte mich auf die Straße, und ich spürte einen stechenden Schmerz in der Stirn. Für einen Moment lag ich benommen auf dem Asphalt, dann hob ich den Kopf. Die Autotür stand immer noch offen, der Bewacher lehnte sich heraus und zielte mit der Pistole auf mich.
    »Maria!«, rief ich, der Schuss wurde abgefeuert, aber die Kugel traf mich nicht, da der Wagen gleichzeitig vorwärtsschoss. Die Limousine fuhr auf die Kreuzung. Ich stand auf und rannte hinter dem Wagen her, aber der Abstand zwischen uns wurde schnell größer. Ich versuchte, eines der vorbeifahrenden Autos anzuhalten, aber sie hupten nur und fuhren weiter. Sirenengeheul ertönte, ein Polizeiwagen fuhr mit schnellem Tempo über die Gegenfahrbahn und bremste mitten auf der Kreuzung scharf. Zwei bewaffnete Polizisten stiegen aus und kamen auf mich zu. Ich wollte ihnen sagen, sie sollten die Limousine verfolgen, wusste aber, dass es zwecklos war. Einen Augenblick stand ich einfach nur da und starrte sie an, dann ging ich auf die Menschenmenge auf dem Bürgersteig zu.
    »Bleiben Sie stehen!«, hörte ich eine scharfe Stimme hinter mir. Unbeeindruckt ging ich weiter auf die entsetzten Passanten zu und wartete auf den Schuss. Ob es einen gab, weiß ich nicht mehr, denn im nächsten Moment rannte ich los. Ich drehte mich nicht um und wusste nicht, wohin ich rannte, erinnere mich aber noch, dass ich in eine U-Bahn hechtete, kurz bevor sich ihre Türen schlossen, an der nächsten Station wieder ausstieg, zu einem anderen Gleis rannte und dort auf eine Bahn wartete, von der ich nicht wusste, wohin sie fuhr. Eine grauhaarige ältere Frau trat zu mir.
    »Entschuldigen Sie, junger Mann, es schmerzt mich, Sie weinen zu sehen. Kann ich Ihnen helfen?«
    »Ich, ich habe sie verraten …«
    Sie holte ein Taschentuch aus ihrer Handtasche und wischte mir das Blut aus dem Gesicht.
    »Das wird schon wieder.«
    »Es ist alles vorbei!«, sagte ich so laut, dass die Leute mich anstarrten. »Warum haben sie mich nicht einfach erschossen?«
    Ich spürte, dass ich mich kaum mehr auf den Beinen halten konnte. Die Bahn kam, und die Frau half mir hinein. Wahrscheinlich wurde ich bewusstlos, denn ich kann mich an nichts mehr erinnern, bis mich ein Fahrscheinkontrolleur an der Endstation anstieß.

 
    XIII
    Vierundzwanzig Stunden lang irrte ich planlos durch die Straßen. Ich würde keine Ruhe finden, bevor ich wusste, wo Maria war. Um herauszubekommen, wo sie festgehalten wurde, blätterte ich in einem Café die Zeitungen durch, aber zu meiner Verwunderung wurde ihre Festnahme nirgendwo erwähnt. An einer Stelle stand, dass sie immer noch als vermisst gelte. Ich lief zu einem Münztelefon und rief bei den Kindern Marias an. Die Stimme am anderen Ende der Leitung behauptete, Maria werde immer noch intensiv gesucht. Diese Person hatte offenbar noch nichts von den Ereignissen des gestrigen Tages gehört.
    Ein Schauer lief mir über den Rücken. Jean Sebastian musste Maria als Geisel genommen haben. Ich erinnerte mich daran, was Maria mir über Sebastians Vorhaben erzählt hatte, als sie noch Gefangene in der Wolkenburg gewesen war –

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