Die Rueckkehr der Krieger
tanzte in göttlicher Unbekümmertheit auf den Wellen, gleichgültig gegen alle menschlichen Belange. Riley sah nach dem Mond und versuchte, seine Phase zu bestimmen. An diesem Morgen hatte sie den Mondstandsbericht in den Nachrichten verpasst.
Fast ein Dreiviertelmond. Gut. Noch ein paar Tage hin bis zum Vollmond.
Seit sich die Metamorphe zum ersten Mal bemerkbar gemacht hatten, waren sie alle viel besser darin geworden, die Mondphasen im Auge zu behalten. Wie schnell sich doch das Leben innerhalb von zehn Jahren ändern konnte. Vor dieser Zeit hatte der Mond höchstens eine romantische Bedeutung gehabt.
Das Leben war so viel einfacher gewesen damals, als man den Kindern noch Peterchens Mondfahrt vorlas.
Kinderbücher.
Der verdammte Bär mit seiner rosa Schleife.
Riley sank auf die Knie, setzte sich auf eine Sandbank am Wasser und lieà ihren Tränen freien Lauf.
***
Als Conlan eine neue Welle von Kummer über sich hinwegrollen spürte, hob er den Kopf und nahm Witterung auf.
Sie ist nicht weit weg. Sie? Ich weià nicht woher, aber â ja, es ist eine sie. Kaum ein paar Meilen weg von hier.
Er begann zu laufen und gewann an Tempo.
Mit der übernatürlichen Geschwindigkeit seiner Art, kristallisierte sich sein Lauf in Moleküle reinen, weiÃen Wassers.
Ich muss sie finden.
Etwas trieb ihn an, unerklärlich, aber unausweichlich. Ein Urbedürfnis.
Ich muss sie finden. Jetzt.
***
Riley machte einen tiefen, zittrigen Atemzug und versuchte, dem Sog ihrer düsteren Gedanken zu entkommen. Dina würde ins Gefängnis gehen.
Bitte lieber Gott, pass auf Dina auf.
Sie blickte wieder hoch zu dem unergründlichen Mond und lachte bitter auf. Was will ich denn eigentlich? Als wäre schon jemals eines meiner vielen Gebete in Erfüllung gegangen. Für das Baby ist es am schlimmsten. Selbst wenn die Kleine überlebt â sie wird in Pflege gegeben werden.
Riley musste an das Baby denken, das sie vor Kurzem in eine Pflegefamilie gegeben hatte, und zwar in eine gute. Mrs Graham liebte alle ihre Pfleglinge, doch am innigsten mochte sie die schwierigen Kinder. Das Baby hatte Riley ins Gesicht gepinkelt, als sie sein sich windendes, von Crack abhängiges Körperchen an Mrs Graham übergab. Die winzigen Fingerchen hatten sich geöffnet und geschlossen wie Seeanemonen, die nach dem Sonnenlicht gierten, das vielleicht niemals kommen würde.
Sie rieb sich zitternd die Arme. Mrs Graham hatte keinen Platz mehr, und Riley kannte sonst niemanden, der so gut war wie sie. Dinas Baby würde wahrscheinlich in einer noch schlimmeren Umgebung voller Armut und Gewalt aufwachsen als die, aus der Dina und Morris hervorgegangen waren.
Wenn das Kleine überhaupt lebend zur Welt kam. Riley verdrängte den Gedanken mit fast physischer Gewalt. Sie konnte jetzt nicht dort hingehen. Noch nicht.
Nicht, solange sie das Gefühl hatte, fast verrückt zu werden.
Pack es für den Moment einfach weg. Denk morgen drüber nach.
Ein wilder Schrei formte sich in ihrer Kehle, und sie presste die Zähne zusammen, um ihn zu unterdrücken. Noch während sie damit kämpfte, warnte eine Art sechster Sinn sie vor der herannahenden Gefahr. Aus den Augenwinkeln erhaschte sie eine Bewegung, sah, wie sie über den Sand krochen und im wechselnden Licht von Mond und Wolken verschwanden und immer wieder auftauchten.
Es waren drei. Sie ging in Sprinterstellung und suchte die Dünen nach einem Ausweg ab.
Zutiefst erschrocken, dass sie â wenn auch nur den Bruchteil einer Sekunde â sich fast zu entmutigt gefühlt hatte, um die Flucht überhaupt zu versuchen.
4
Schneller als je zuvor in seinem Leben wirbelte Conlan durch die Luft und spitzte seinen Focus pfeildünn, um die Wassertröpfchen in der Seeluft als Prisma zu nutzen, bis er ihre Umrisse ausmachen konnte.
Hundert Punkte für atlantische Sehkraft.
Ihr Gesicht lag im Schatten des Mondlichts, und er konnte nur ihre schlanke Figur ausmachen, die am Strand zusammengekauert hockte. Ihr Schmerz sandte doppelte, dreifache Wellen aus, als ihre Schultern bebten.
Das war sie, definitiv, die Quelle dieser geballten Ladung an Gefühlen, die seinen Schutzschild durchbrochen hatten. Keine Armee. Keine Konspiration psychokontrollierender Vampire.
Nur eine menschliche Frau. Und sie strahlte Emotion aus.
Sie war aknasha. Empathin.
In ungläubigem Staunen sandte er eine vorläufige Gedankensonde aus, um
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