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Die Rückkehr der Templerin

Die Rückkehr der Templerin

Titel: Die Rückkehr der Templerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Die Aufregung, die von dem näher kommenden Johanniter ausging, erfasste das Heer wie die Wellen eines ins Wasser geworfenen Steines. Jubelrufe wurden laut, hier und da hatten Männer sogar ihre Posten verlassen oder ihre Speere gesenkt, um sich jubelnd zu umarmen oder gegenseitig auf die Schultern zu klopfen. Robin hatte es längst aufgegeben, die Zahl der Männer zu schätzen, inmitten derer sie sich befand. Es mussten Tausende sein, die Fußtruppen, Waffenknechte und freiwilligen Kämpfer mitgerechnet, die sich ihnen auf dem Weg ins Tal von Mardsch Ayun, dem Tal der Quellen zwischen dem Litanifluss und dem oberen Jordan, angeschlossen hatten. Obwohl sie sich von ihrer Position an der Spitze des Heeres entfernt hatten, waren es noch immer größtenteils Tempelritter, die sie umgaben, so weit ihr Blick reichte, und wieder ertappte sie sich dabei, nach einem ganz bestimmten Gesicht in der Menge zu suchen. Da der Kampf bisher nicht unmittelbar bevorgestanden hatte und der Tag unerträglich heiß war, hatten nur die wenigsten ihrer Ordensbrüder ihre Helme aufgesetzt, und Robin hatte auf dem Weg hierher jede Gelegenheit genutzt, einen Blick in ihre Gesichter zu werfen. Das, nach dem sie suchte, war nicht dabei. Vielleicht, dachte sie, hatte sie sich ja wirklich getäuscht. Vielleicht war Bruder Abbé tatsächlich nicht hier.
    Statt endlich das Gesicht ihres alten Mentors zu gewahren, begegnete sie dem Blick Bruder Rothers, der sein Pferd nur eine halbe Manneslänge hinter ihr angehalten hatte. Auch er war bleich vor Anstrengung und Müdigkeit, sein Gesicht glänzte vor Schweiß, aber ihn schien weder der näher kommende Bote noch seine Siegesnachricht zu interessieren. Robin verspürte ein kurzes, eisiges Frösteln, als sie den Ausdruck in seinen Augen bemerkte. Mit einem leichten Schenkeldruck brachte sie ihr Pferd dazu, einen Schritt zurückzugehen, sodass sie nun unmittelbar neben ihm stand. Selbst wenn die Männer in ihrer Nähe nicht voll und ganz damit beschäftigt gewesen wären, dem Johanniter zuzujubeln und ihre Freude herauszuschreien, hätte jetzt niemand mehr ihre Worte hören können. »Ich habe dir noch gar nicht gedankt«, sagte sie.
    Sie hatte nicht wirklich damit gerechnet, dass Rother ihr antworten würde, und er tat es auch nicht. In seinem Gesicht rührte sich kein Muskel. Er starrte sie nur kalt und mit einem Ausdruck von Verachtung in den Augen an, der vielleicht mehr schmerzte, als jedes Wort es gekonnt hätte. Trotzdem fuhr sie nach einem Moment und mit einem angedeuteten Lächeln fort:
    »Beantwortest du mir eine Frage?«
    Rother reagierte immer noch nicht, aber sie deutete sein Schweigen als Zustimmung. »Warum hast du nichts gesagt?«
    »Worüber?«, fragte er. Sein Blick wurde womöglich noch kälter.
    »Über das, was du heute Morgen gesehen hast«, antwortete sie.
    »Woher willst du das wissen?«, gab Rother kalt zurück.
    »Vielleicht habe ich es ja gesagt.«
    Robin schüttelte entschieden den Kopf. »Ich wäre jetzt nicht mehr am Leben, hättest du es getan, Rother. Und auch wenn ich weiß, dass du mir wahrscheinlich nicht glaubst: Ich schwöre dir, dass du nicht das gesehen hast, das gesehen zu haben du glaubst.«
    Rothers Antwort bestand nur aus einem verächtlichen Verziehen der Lippen, das sich wie ein dünner, heißer Schmerz in ihre Brust bohrte. Aber was hatte sie erwartet?
    »Ich weiß nicht, warum ich Bruder Dariusz nichts gesagt habe«, antwortete er schließlich. »Vielleicht, weil …« Er brach ab, biss sich auf die Unterlippe und schien einen Moment krampfhaft nach Worten zu suchen. Sein Blick ging dabei geradewegs durch sie hindurch, und in seinen Augen erschien ein Ausdruck von Qual, der Robin fast noch unerträglicher war als die Verachtung, die sie gerade darin gelesen hatte. Schließlich hob er die Schultern und fuhr in verändertem, noch kälterem Tonfall fort. »Was immer du angeblich getan hast, Bruder, während ich etwas anderes gesehen habe - mach es mit deinem Gewissen und mit Gott aus. Ich bin sicher, sie werden die gerechte Strafe dafür finden.«
    »Rother, ich …« Robin sprach nicht weiter, nicht nur weil Rother mit einem demonstrativen Ruck den Kopf zur Seite drehte und sie auf diese Weise spüren ließ, dass er nichts mehr hören wollte. Sie hätte es gar nicht mehr gekonnt. Ihre Kehle war wie zugeschnürt. Rother war viel mehr als irgendein beliebiger Ordensbruder für sie, und unendlich schlimmer als das, was er gesagt hatte, schmerzte sie die

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