Die Rückkehr der Templerin
wehte Bratengeruch herüber, der Robin das Wasser im Mund zusammenlaufen ließ. Ihr Magen knurrte hörbar und erinnerte sie daran, dass sie seit Tagen von nichts anderem als abgestandenem Wasser und schmalen Rationen lebte, die selbst ohne den anstrengenden Ritt kaum ausgereicht hätten, ihren Hunger zu stillen.
Eine hölzerne Brücke führte über einen Graben, der vor dem Burgtor in den nackten Fels geschlagen worden war. Hinter dem Fallgatter bog der Torweg scharf nach rechts ab, ein Anblick, der Robin auf schon fast unheimliche Art an den Zugang zu Sinans Bergfestung erinnerte. Der Weg führte parallel zum Burggraben wie ein Tunnel durch die meterdicke Mauer der Festung; ein gemauerter Tunnel, in dem nur trübes Zwielicht herrschte. Wie Speere aus Licht stachen einige Sonnenstrahlen durch das Dunkel. Sie fielen durch faustgroße Löcher hoch über ihnen in der gewölbten Decke, vermutlich Pechnasen, um Angreifer, die durch den Tunnel stürmten, mit siedendem Öl zu begießen. Der Hufschlag ihrer Pferde hallte laut im Tunnel wider, und nach der Hitze des Mittags war es hier drinnen angenehm kühl. Nach allem, was sie auf dem Weg hierher erlebt hatten, hätte sich Robin in dieser uneinnehmbar scheinenden Festung sicher fühlen müssen, aber das genaue Gegenteil war der Fall: Sie fühlte sich eingesperrt und gefangen, so sehr, dass sie das Gefühl hatte, kaum noch atmen zu können. Als Robins Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, bemerkte sie Wächter in weißen Waffenröcken, die in den Nischen des Tunnels auf gemauerten Bänken kauerten. Die meisten schenkten den beiden Reitern mit den weißen Mänteln kaum Aufmerksamkeit, was sie im ersten Moment erleichterte; aber nur im wirklich allerersten Moment. Danach war sie erschüttert, wie leicht es in dieser Gewandung war, alle Wachen zu passieren und die Festung zu betreten.
Nach kaum dreißig Schritten machte der Tunnel eine scharfe Biegung und öffnete sich auf den Burghof. Das helle Tageslicht blendete Robin. Knechte eilten herbei, um ihr und Rother aus den Sätteln zu helfen und ihre Pferde zu versorgen, aber Robin sah im allerersten Moment nur verschwommene Schemen. Jemand sprach sie an, wandte sich dann aber mit einem wortlosen Achselzucken ab, als sie nicht antwortete, und Robin blinzelte ein paar Mal und fuhr sich schließlich mit dem Handrücken über die Augen, um die Tränen fortzuwischen. Sie spürte, wie sie dabei auch den Schmutz und Staub auf ihrem Gesicht noch weiter verschmierte, tröstete sich aber damit, dass der Unterschied wahrscheinlich kaum noch auffiel.
Der Hof war voller Menschen. Gesinde, Männer in leinenen Bußgewändern und barfuss, Ritter und Turkopolen, Waffenknechte in Waffenröcken aller Farben. Auf der linken Seite des Hofes lagen die Stallungen. Eine breite Treppe führte hinauf zum östlichen Wehrgang. Genau gegenüber des Ausgangs aus dem Tortunnel lag eine kurze Treppe, die hinauf zum mit prächtigen Steinmetzarbeiten versehenen Torbogen des Hauptportals des Palas führte, dem Wohnbereich der Burg.
Besonders ins Auge sprang Robin jedoch eine Sänfte aus dunklem Holz, die mit scharlachroten Vorhängen verhängt war. Eine Gruppe junger, ausnehmend schöner Männer saß in der Nähe auf dem nackten Boden oder den Treppenstufen. Sie trugen Wämser, auf die das goldgelbe Kreuz des Königreichs Jerusalem gestickt war. Dicht bei der Sänfte standen Ritter in voller Montur - langes Kettenhemd, schwarzer Schild, schwarzer Waffenrock. Ihre Gesichter waren verdeckt durch ein feinmaschiges, ebenfalls schwarzes Kettengeflecht, das unter dem Nasenschutz ihrer normannischen Helme eingehakt war. Im allerersten Moment dachte Robin an Johanniter und wunderte sich ein wenig, diese Ordensritter inmitten einer Templerburg zu sehen. Dann bemerkte sie, dass die Ritter kein weißes Kreuz auf dem Waffenrock trugen, wie es bei den Johannitern üblich war. Auch schien sich niemand in die Nähe dieser schwarzen Ritter oder der Sänfte zu wagen. Knechte wie Ritter machten einen weiten Bogen um die Schwarzgewandeten, wenn ihr Weg sie über diesen Teil des Hofs führte.
Rother warf ihr einen warnenden Blick zu, auf den sie aber nur mit einem hilflosen Schulterzucken antworten konnte. Sie wusste nicht, wer diese Männer waren, aber ganz offensichtlich gefielen sie ihm ebenso wenig wie ihr. Rother wirkte weiter unschlüssig, während Robin ihr Unbehagen abschüttelte - schließlich waren sie hier in einer Ordensburg! - und den Fremden neugierig
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