Die Rückkehr der Templerin
wollte ganz impulsiv antworten, aber dann las sie etwas tief in seinen Augen, was ihr sagte, dass von ihrer Antwort möglicherweise mehr abhing, als ihr bewusst war, und so formulierte sie ihre Worte äußerst sorgfältig. »Immerhin hat Sheik Sinan mich aus der Sklaverei freigekauft. Streng genommen bin ich sein Eigentum - zumindest nach seinen Wertvorstellungen.« Sie hob rasch die Hand, als sie sah, wie Rother auffahren wollte, und fuhr mit einem Kopfschütteln und der Spur eines angedeuteten Lächelns fort: »Ich weiß, was du sagen willst, Rother. Kein Christenmensch kann der Sklave eines Heiden sein, und ein Bruder unseres Ordens schon gar nicht. Aber ich habe dem Alten vom Berge meine Freiheit zu verdanken und vielleicht sogar mein Leben. Und sie haben mich gut behandelt. Ich habe ihm mein Wort gegeben, nicht zu fliehen.«
»Er ist ein Heide«, sagte Rother. »Du bist nicht an das Wort gebunden, das du ihm gegeben hast. Schon gar nicht unter Druck.«
»Das mag sein«, antwortete Robin ruhig, obwohl ihr danach zumute war, etwas gänzlich anderes zu sagen. »Und Sheik Sinan ist ein vernünftiger Mann, der das wohl ebenso sehen wird. Aber er ist auch ein Mann, der großen Wert auf Ehre und die Einhaltung seiner Regeln legt. Und die Assassinen sind unsere Verbündeten. Es wäre dumm, dieses Bündnis ohne Not zu gefährden. Ich bin sicher, Bruder Dariusz und er werden eine Lösung finden.«
Rother starrte sie an. In seinem Gesicht arbeitete es, und Robin konnte ihm regelrecht ansehen, dass er nach einem Fehler in ihrer Argumentation suchte, irgendeiner Ungereimtheit, mit der er sie der Lüge überführen konnte. Seine Antwort fiel auch entsprechend aus. »Und das ist dann auch wirklich alles?«
»Was sollte es denn noch sein?«, fragte Robin. Rother schwieg, nicht weil er die Antwort nicht wusste, sondern weil sie ihm sichtlich unangenehm war, und nach ein paar Augenblicken fuhr Robin fort: »Was ist, Rother?« Sie machte eine ausholende Handbewegung in die Richtung, aus der sie gekommen waren.
»Du hast schon einmal eine solche Andeutung gemacht. Was sind das für Gerüchte, die man sich über mich erzählt?«
Es war ein Schuss ins Blaue. Genau genommen drehten sich die Gerüchte, von denen Rother ihr erzählt hatte, um Bruder Dariusz, nicht um sie. Aber sie erkannte an seiner Reaktion, dass sie ihn getroffen hatte.
»Also?«
Rother wich ihrem Blick aus. »Dieser … Salim, von dem die Assassinen vorhin gesprochen haben …«
»Sinans Sohn.«
»Der Sohn des Alten vom Berge, ja«, bestätigte Rother. »Man erzählt sich, er … er wäre nicht nur den Frauen zugeneigt.«
Robin starrte ihn verblüfft an. Es dauerte einige Augenblicke, bis ihr der Sinn von Rothers Worten wirklich bewusst wurde - und dann wusste sie nicht, ob sie empört reagieren oder lauthals loslachen sollte. »Salim und …?« Robin konnte ein Grinsen nicht mehr ganz unterdrücken, das allerdings weitaus mehr Rothers Reaktion galt als dem, was er gesagt hatte. Unter der Sonnenbräune und all dem Schmutz auf seinem Gesicht lief der junge Tempelritter tatsächlich rot an. »Ganz bestimmt nicht.«
»Man sagt, es gäbe einen jungen Tempelritter, mit dem Sinans Sohn das Zelt teilt«, antwortete er. »Und nicht nur das.«
Robin fand es beinahe rührend, dabei zuzusehen, wie Rother von etwas zu reden versuchte, woran er seiner Auffassung nach vermutlich nicht einmal denken durfte, ohne mit mindestens einem Jahrhundert Fegefeuer bestraft zu werden. Und schließlich konnte sie nicht mehr anders, als vor Lachen laut herauszuplatzen.
»Was ist so komisch?«, erkundigte sich Rother in beleidigtem Ton.
»Du«, antwortete Robin, nachdem sie sich wieder halbwegs beruhigt hatte, aber immer noch mit einem breiten Grinsen. »Ihr alle, Rother. Ich dachte immer, dass nur die Waschweiber Klatsch und Tratsch verbreiten, aber meine eigenen Ordensbrüder scheinen schlimmer zu sein.«
»Diese Gerüchte …«
»… stimmen«, fiel ihm Robin ins Wort. Ihr Grinsen wurde noch breiter, während sie sich unverhohlen an dem Ausdruck wachsender Fassungslosigkeit weidete, der von seinem Gesicht Besitz ergriff. Schließlich fuhr sie leise lachend fort: »Dieser junge Tempelritter, über den ihr euch offensichtlich trotz Bruder Dariusz’ Schweigegelübde die Mäuler zerrissen habt, bin ich.«
Rother wurde kreidebleich. »Du?!«
»Ich habe das Zelt mit ihm geteilt«, bestätigte Robin genüsslich, »und oft genug auch sein Gemach in der Burg seines Vaters.
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