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Die Rückkehr der Zehnten

Titel: Die Rückkehr der Zehnten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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Geheimgang zugetragen haben, das würde zu ihm passen.«
    »Und wenn es dann schon zu spät ist?«
    Darauf fiel Lis nichts ein.
    »Ich spreche mit Zoran.«
    Die Eidechsenrippen schienen im Halbdunkel des Zimmers zu verschwimmen, die Opferflämmchen flackerten. Lis rieb sich die Augen. Bilder begannen auf sie einzuströmen, als würde farbiges Wasser über ihre Augen rinnen. »Ich sehe etwas«, flüsterte sie.
    Die Rippen wurden zu Lanzen, um die Lanzen herum erschienen Hände mit dunkler Haut. Soldaten schälten sich aus dem Nebel – Sarazenensoldaten mit düsteren Gesichtern und harten Händen, die Krummsäbel und Äxte hielten. Doch sie standen nur und warteten. Pferde scharrten im Morgennebel mit den Hufen im Kies am Meeresstrand, aber keines bewegte sich vorwärts, obwohl die Luft vor Ungeduld vibrierte. »Sie greifen nicht an«, sagte Lis.
    Dann sah sie den Echsenschädel. Als wäre er aus Quecksilber, verformte er sich, wurde runder und verlor seine spitze Form. Die Zähne wurden größer, bis aus ihm das Grinsen eines menschlichen Totenkopfes erwuchs. Wie ein Schleier legte sich der Schimmer von Haut und rotem Haar um die Knochen, ein Lächeln überdeckte die Zähne, bis schließlich Tonas Gesicht erschien. Lis zwinkerte das Bild erschrocken weg und sah die reale Tona an. In diesem Augenblick ging das Haar der jungen Frau in Flammen auf.
    »Was siehst du?«, hörte sie ihre Stimme wie aus weiter Ferne, während die Flammen Locke um Locke verzehrten, bis Tonas Gesicht von einem lodernden Kranz umgeben war.
    »Feuer«, antwortete Lis gepresst.
    »Feuer – das mich verbrennt?« Der Schreck ließ Tona blass werden. Feuerzungen leckten über ihre Augenbrauen.
    Mit größter Anstrengung schüttelte Lis den Kopf und rieb sich krampfhaft die Augen. Traurigkeit überflutete sie. Ich kann es ihr nicht sagen, ich kann nicht, dachte sie verzweifelt. Erst Mokosch, jetzt auch noch Tona! »Nein, Tona«, flüsterte sie. »Dir wird nichts geschehen. Das Feuer… waren Fackeln, die die Sarazenen in den Händen tragen. Die Truppen der Desetnica stehen bereit und warten. Worauf warten sie nur?«
    Plötzlich spürte sie die knochige Hand von Zlata auf ihrem Arm. Die alte Frau war wach und schaute ihr über die Schulter. Das Licht der Opferflämmchen tanzte in ihren Augen. »Auf Poskurs Feuer warten sie, meine Kleine«, sagte sie und hustete. »Das Feuer, das dich verbrennen wird.«
     
    Lis war den ganzen Weg zum Palast gerannt. Auch jetzt noch, als sie in den schützenden Mauern stand, zitterte sie. Das Mosaik von Poskur und Nemeja im Palastinnenhof schien sie zu verhöhnen. Nie hatten ihr Worte einen so großen Schrecken eingeflößt wie die Prophezeiung der alten Priesterin. Beruhige dich, Lis, sagte sie sich immer wieder, während sie mit weichen Knien zum Palastbrunnen ging. Willst du wirklich den Worten einer verrückten alten Frau glauben? Sie hatte endgültig genug von dem Zauber, den Göttern, der Angst und Levins Swantewit.
    Levin stand wie verabredet am Brunnen. In den Gassen waren nur wenige Leute, der Großteil davon gehörte zu den Kriegern, die sich in der Nähe der Stadtmauer aufhielten. Levin grüßte einige von ihnen und folgte Lis, die Matejs Weg zur Stadtmauer einschlug. Schweigend erreichten sie die Treppe, die im fahlen Nachtlicht gespenstisch hell leuchtete.
    Lis raffte ihr Kleid und kletterte die Stufen hinauf. Oben angekommen schlug ihr Herz von der Anstrengung. Der nächste Wächter stand ein ganzes Stück entfernt, sie waren also so gut wie allein und außer Hörweite und würden jeden Späher von hier oben entdecken. Levin trug seinen grauen Mantel und die Rußmaske der Priester, was sein Gesicht vor dem dunklen Spiegel des Meeres beinahe verschwinden ließ. Seine Augen schienen in der Dunkelheit zu schweben. Nun sah er auf das Meer hinaus und deutete auf winzige Lichtpunkte am Horizont, dorthin, wo irgendwann einmal die Stadt Grado liegen würde. »Sie lagern immer noch«, sagte Levin in dem altertümlichen Slowenisch. »Niams Späher berichten, dass es inzwischen über tausend sind. Ich frage mich, worauf sie warten.«
    »Hat er es nicht von den Kurieren erfahren?«
    »Der ältere ist heute gestorben«, flüsterte Levin plötzlich auf Deutsch. Seine Stimme schien ein wenig zu zittern.
    Lis fuhren der Schreck und das Entsetzen bis tief in die Magengrube. »Was hat Niam mit ihm gemacht?«, flüsterte sie tonlos.
    »Niam? Nichts. Die Wächter fanden ihn heute…« Er machte eine Pause. »Ich habe ihn

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