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Die Rückkehr der Zehnten

Titel: Die Rückkehr der Zehnten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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den sie ab und zu bemerkte, war heute nicht in der Nähe. Er konnte es auch gar nicht sein, denn sie wusste, Tschur befand sich heute im Palast. Ob er ahnte, dass sie von seiner Spitzelarbeit wusste?
    Die alte Priesterin schien noch dünner geworden zu sein, ihre Augen lagen tief in den Höhlen, sie atmete schwer. »Ach, das Mädchen mit den Zukunftsaugen«, sagte sie und streckte Lis die Hand hin. Lis errötete und fragte sich wieder einmal, ob Zlata nicht schon längst alles über sie wusste.
    »Ich bringe dir Kuchen und Honig«, antwortete Lis. Stumm machte sie eine Geste zu Tona, die besagte, dass alles in Ordnung war. Tona nickte ihr zu, doch die Anspannung blieb.
    »Was macht dein Herr, der neue Priester Poskurs?«, fragte Zlata unumwunden.
    Lis zuckte zusammen. »Er ist nach wie vor ein Priester Swantewits«, erwiderte sie.
    Zlata zog die Brauen hoch, und auch in Tonas Gesicht entdeckte Lis einen leisen Zweifel. War das der Grund, warum die Kuriere sich von ihr fernhielten? Glaubten sie, Levin und sie seien zu den Priestern übergelaufen? Andererseits – verdenken konnte sie es ihnen nicht. Zweifelte sie nicht selbst an ihrem Bruder? Sie seufzte und wandte sich an Tona. »Erinnerst du dich, dass du mich gebeten hast, deine Zukunft aus den Eidechsenknochen zu lesen?«
    Tonas Gesicht hellte sich ein wenig auf. »Ja, es scheint lange her zu sein, doch es sind nur wenige Tage vergangen.«
    »Tage können Ewigkeiten sein«, murmelte Zlata und schloss die Augen.
    Tona sah sie liebevoll an. »Sie wird alt. Manchmal glaube ich, sie hat bereits einen Blick in Nemejas Reich geworfen«, flüsterte sie.
    Nicht nur in Nemejas Reich, dachte Lis bei sich.
    Tonas Gesicht wurde ernst. »Zoran ist wütend auf Karjan«, wisperte sie. »Und auf dich. Er sagt, ihr habt uns verraten.«
    »Das ist nicht wahr!«, rief Lis.
    Tona gebot ihr mit einer Handbewegung Einhalt und wies auf die Fenster.
    Lis beherrschte sich mühsam.
    »Das stimmt nicht«, fuhr sie bedeutend leiser fort. »Karjan hat einen Weg gefunden, wie ihr die Kuriere befreien könnt.«
    Tonas Augen wurden groß. »Wann?« Sie sprach so leise, dass Lis die Frage mehr aus der Bewegung ihrer Lippen erahnte als hörte.
    Lis sah sich um, beugte sich vor, bis das weiche rote Haar tröstend über ihre Wange strich, und flüsterte Tona ins Ohr. »Morgen, wenn Karjan die Prophezeiung Swantewits hört. Er wird dafür sorgen, dass die Krieger im Tempelhof für einige Augenblicke die Lanzen niederlegen. Das müsste Zoran und seinen Leuten genügen, um die Turmwächter zu überwältigen. Mokosch wird euch helfen, die Kuriere zu verstecken.«
    Tonas Augen wurden riesengroß. »Mokosch? Die verrückte Fürstentochter? Was hat sie mit den Kurieren zu tun?«
    Lis legte den Finger an die Lippen und griff zu ihrem Beutel mit den Eidechsenknochen. Tona verstand und setzte sich mit ihr auf den Boden. Wenn jemand den Raum betrat, würde er denken, dass Lisanja Tonas Zukunft deutete und so leise sprach, um die alte Priesterin nicht zu wecken. Gespannt beobachtete Tona, wie Lis den Beutel mit den Knochen von ihrem Gürtel losband und behutsam die Schnüre löste.
    Mit geübter Hand holte Lis die winzigen Knochen hervor, schwenkte des Effektes wegen ein Stück Räucherwerk und pustete den Rauch über ihre Hand, bevor sie die Knöchelchen auf den Boden fallen ließ. Sie landeten zwischen den Strohhalmen, die aus Zlatas Bett hinabgerieselt waren. Lis betrachtete die gekreuzten Beinknochen und den Schädel, der sie aus hohlen Augen anzustarren schien. Die hauchfeinen Eidechsenrippen lagen beinahe parallel, ein seltsame Laune des Zufalls. »Ich kann dir jetzt nicht erklären, was Mokosch mit all dem zu tun hat. Aber sie ist auf unserer Seite und wird alles tun, um den Kurieren zu helfen. Wirst du Zoran Bescheid geben?«, fragte sie Tona leise.
    »Ich werde mit ihm sprechen, aber viel Hoffnung habe ich nicht, dass er auf deinen Rat hört. Er hat für heute Nacht einen Befreiungsangriff geplant, er und eine Gruppe von Kurieren haben sich bewaffnet und werden versuchen, in den Priesterturm zu gelangen. Borut glaubt einen Geheimgang entdeckt zu haben, der vom Turm direkt zur Küste führt.«
    »Bitte überrede ihn nicht zuzuschlagen! Sag ihm, dass er nichts erreichen wird! Bitte Tona, wir müssen noch etwas Geduld haben, Niam wartet nur auf einen Angriff. Ich bin sicher, Niams Krieger werden ihn mit gezückten Schwertern empfangen. Vielleicht waren es sogar Niams Späher, die Borut die Botschaft vom

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