Die Rückkehr des Bösen
dem Kern der Papiere, die mir fehlen. Zuzüglich einiger anderer Dinge ist diese Geschichte genau das, wonach ich suche. Seelenfänger hat mir zu verstehen gegeben, daß das, wonach wir suchen, in dieser Geschichte verborgen ist.« »Sie ist nicht vollständig.«
»Nein. Aber bringt dich das nicht zum Nachdenken?« »Du weißt wirklich nicht, wer der Verfasser ist?« »Nein. Und ich habe auch keine Vorstellung davon, wie ich das herausfinden könnte, es sei denn, ich suche ihn oder sie vor Ort auf.« Eigentlich hatte ich eine oder zwei Vermutungen, aber eine war ebenso unwahrscheinlich wie die andere. »Sie sind ziemlich rasch nacheinander hier eingetroffen«, stellte Darling fest. »Nach so langer Zeit.« Dem entnahm ich, daß sie eine meiner Vermutungen teilte. Dieses >nach so langer Zeit<.
»Die Kuriere sind der Ansicht, daß sie über eine längere Zeitspanne auf den Weg gebracht wurden.«
»Das ist interessant, bringt uns aber nicht weiter. Wir müssen noch weitere Sendungen abwarten.«
»Es schadet jedenfalls nicht, über ihre Bedeutung nachzudenken. Hier der letzte Teil der letzten Botschaft. Den kapiere ich nicht. Das muß ich mir noch näher ansehen. Vielleicht ist es wichtig. Falls es nicht bloß jemanden durcheinanderbringen soll, der dieses Fragment abfängt.«
Sie kramte das letzte Blatt hervor und starrte darauf. Plötzlich erhellte sich ihr Gesicht. »Das ist die Fingersprache, Croaker«, signalisierte sie eben damit. »Die Buchstaben. Siehst du? Die
sprechende Hand, die die Zeichen bildet.«
Ich kam zu ihr herum. Jetzt sah ich es auch und kam mir abgrundtief dämlich vor, weil ich es nicht bemerkt hatte. Sobald man erst einmal darauf kam, war es leicht zu lesen. Die Nachricht lautete:
Vielleicht ist dies die letzte Nachricht, Croaker. Ich muß noch etwas erledigen. Die Risiken
sind hoch. Die Chancen stehen gegen mich, aber ich muß weitermachen. Wenn du die letzte
Folge über Bomanz’ letzte Tage nicht erhältst, wirst du hierherkommen und sie abholen
müssen. Eine Abschrift werde ich im Hause des Zauberers verbergen, wie es aus der
Geschichte zu entnehmen ist. Eine weitere wirst du in Oar finden. Frage dort nach Sand, dem
Schmied.
Wünsche mir Glück. Mittlerweile mußt du einen Zufluchtsort gefunden haben. Ich würde
nicht auf dich zurückkommen, wenn nicht das Schicksal der Welt davon abhinge.
Auch hier war keine Unterschrift.
Darling und ich schauten uns an. Ich fragte: »Was meinst du? Was soll ich tun?« »Warte ab.«
»Und wenn keine weiteren Folgen hier eintreffen?« »Dann mußt du danach suchen.«
»Ja.« Angst. Die Welt war gegen uns aufmarschiert. Der Überfall auf Rust hatte die Unterworfenen wahrscheinlich zu rachsüchtiger Raserei getrieben. »Das könnte die große Hoffnung sein.«
»Es geht um das Gräberland, Darling. Nur der Turm selbst könnte noch gefährlicher sein.« »Vielleicht sollte ich dich begleiten.« »Nein! Du darfst nicht aufs Spiel gesetzt werden. Unter keinen Umständen. Die Bewegung kann den Verlust eines ausgebrannten alten Wundarztes verkraften. Aber nicht den der Weißen Rose.«
Sie umarmte mich kraftvoll, trat zurück und gestikulierte: »Ich bin nicht die Weiße Rose. Sie ist seit vier Jahrhunderten tot. Ich bin Darling.« »Unsere Feinde nennen dich die Weiße Rose. Unsere Freunde nennen dich so. In einem Namen liegt Macht.« Ich schwenkte die Briefe in der Luft. »Darum geht es hier. Um einen Namen. Du mußt das sein, als das du benannt worden bist.« »Ich bin Darling«, beharrte sie.
»Vielleicht für mich. Und für Schweiger. Auch für ein paar andere. Aber für die Welt bist du die Weiße Rose, die Hoffnung und die Erlösung.« Dabei fiel mir ein, daß hier ein Name fehlte. Der Name, den Darling getragen hatte, bevor sie ein Mündel der Schar wurde. Sie war immer Darling gewesen, denn Raven hatte sie so genannt. Hatte er ihren Geburtsnamen gekannt? Wenn das so war, dann war es nicht mehr wichtig. Sie war in Sicherheit. Sie war die
letzte lebende Person, die ihn noch kannte, selbst wenn er ihr überhaupt noch einfiel. Ihr Dorf,
das von den Truppen des Hinkers verheert worden war und in dem wir sie aufgelesen hatten, gehörte nicht zu Orten, wo solche Dinge schriftlich festgehalten wurden. »Geh«, signalisierte sie. »Lies. Denk nach. Sei guten Mutes. Bald wirst du irgendwann den roten Faden finden.«
ZWEIUNDZWANZIGSTES KAPITEL
Die Schreckenssteppe
Die Männer, die mit dem feigen Windwal aus Rust geflogen waren, tauchten schließlich wieder
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