Die Rückkehr des Bösen
sie uns frei durch die Gegend laufen sahen. »Dann sag mir doch, o großes Genie. Hast du die Dokumente, die ich haben will, ausfindig gemacht, bevor du den Laden hast zusammenkrachen lassen? Denn wenn sie da drin sind, bist du der brave Junge, der sie ausbuddelt.«
Sein Gesicht verfiel.
Ja. Das hatte ich mir schon gedacht. Das ist eben meine Glückssträhne. Und das ist auch Einauges Art. Er denkt eine Sache niemals bis zum Ende durch. »Zuerst kümmern wir uns um Corbie«, sagte ich. »Rein mit euch.« Als wir die Tür aufstießen, kam uns Case entgegen, der wissen wollte, was der Krach bedeutete.
DREIUNDDREISSIGSTES KAPITEL
Der Vermißte
»Hallo, Freundchen«, sagte Einauge, stach dem Soldaten einen Finger in die Brust und stieß ihn zurück. »Ganz recht. Wir sind’s, deine alten Kumpels.« Hinter mir starrte Tracker über das Kasernengelände. Das Hauptquartiergebäude war vollständig zusammengebrochen. Drinnen prasselten und knisterten die Flammen. Köter Krötenkiller kam um die Ecke der Ruine gelaufen. »Sieh dir das an.« Ich knuffte Goblin am Arm. »Der kann rennen.« Ich sah zu Case. »Zeig uns deinen Freund Corbie.«
Das wollte er nicht.
»Du willst dich doch bestimmt nicht mit uns streiten. Wir sind nicht in der Stimmung dafür. Beweg dich, oder wir machen dich platt.« Das Gelände füllte sich allmählich mit wild durcheinanderredenden Soldaten, die uns nicht bemerkten. Köter Krötenkiller kam herangelaufen, schnupperte an Trackers Waden, gab ein tiefes Kehlgeräusch von sich. Tracker strahlte. Wir schoben uns hinter Case durch die Tür. »Zu Corbie«, ermahnte ich ihn. Er führte uns in ein Zimmer, das von einer einzelnen Öllampe beleuchtet wurde, in deren Schein ein ordentlich zugedeckter Mann in einem Bett lag. Case drehte die Lampe höher. »Ach du Scheiße«, murmelte ich. Ich ließ mich auf den Bettrand fallen. »Das ist doch nicht möglich. Einauge?« Aber Einauge befand sich in einer anderen Welt. Er stand bloß mit offenem Mund da. Genau wie Goblin.
Schließlich quiekte Goblin: »Aber er ist doch tot. Er ist vor sechs Jahren umgekommen.« Corbie war jener Raven, der eine so wichtige Rolle in der Vergangenheit der Schar gespielt hatte. Jener Raven, der Darling auf ihren heutigen Weg gebracht hatte. Sogar ich war davon überzeugt gewesen, daß er tot war, und ich war Raven gegenüber von Natur aus mißtrauisch. Eine solche Nummer hatte er schon einmal abgezogen. »Neun Leben«, kommentierte Goblin.
»Das hätte ich mir denken sollen, als ich den Namen Corbie hörte«, sagte ich. »Wieso?«
»Das ist ein Scherz. Seine Art von Scherz. Corbie. Crow. Rook. Raven. Alles so ziemlich das gleiche. Nicht wahr? Er hat es uns praktisch unter die Nase gerieben.« Daß ich ihn hier sah, löste Rätsel für mich, die mich seit Jahren gequält hatten. Jetzt wußte ich, warum die Papiere, die ich gerettet hatte, nicht zusammenpaßten. Er hatte die wichtigsten
Dokumente entfernt, bevor er seinen letzten Tod inszeniert hatte.
»Diesmal hat nicht einmal Darling etwas davon gewußt«, sinnierte ich. Allmählich ließ der Schock nach. Ich dachte darüber nach, daß ich mehrmals nach dem Eintreffen der Briefe den Verdacht gehegt hatte, daß er noch am Leben sein könnte. Ein ganzes Bündel von Fragen drängte sich auf. Darling hatte es nicht gewußt. Warum nicht? Das sah Raven nicht ähnlich. Und mehr noch, warum ließ er sie in unserer Obhut zurück, wo er doch so lange versucht hatte, sie von uns fernzuhalten? Hier ging es um mehr als nur das Offensichtliche. Um mehr als bloß Ravens Flucht, damit er im Gräberland herumstöbern konnte. Leider konnte ich keinen meiner beiden Zeugen befragen.
»Wie lange ist er schon in diesem Zustand?« fragte Einauge Case. Die Augen des Soldaten waren weit aufgerissen. Jetzt wußte er, wer wir waren. Vielleicht mußte ich mein Selbstbewußtsein doch nicht schrumpfen lassen. »Monate.«
»Da gab es einen Brief«, sagte ich. »Und Dokumente. Was ist aus denen geworden?« »Der Oberst hat sie.«
»Und was hat der Oberst getan? Hat er die Unterworfenen in Kenntnis gesetzt? Hat er Verbindung mit der Lady aufgenommen?«
Jetzt wollte der Reichsmann sich stur stellen. »Junge, du bist in echten Schwierigkeiten. Wir wollen dir nichts antun. Du hast dich um unseren Freund verdient gemacht. Also mach den Mund auf.«
»Er hat nichts dergleichen getan. Jedenfalls soweit ich weiß. Er konnte nichts von dem Zeug lesen. Er hat darauf gewartet, daß Corbie wieder aufwacht.« »Da hätte er
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