Die Rückkehr Des Bösen
Tagen!“ Sie war viel zu unruhig, um sich hinsetzen zu können, doch Pakula machte es zum Glück nichts aus, dass sie hin und her lief.
„Warten Sie mal, bis Sie den Bericht aus Boston gelesen haben.“ Er bemerkte, wie sie auf ihre Armbanduhr schaute. „Kasab und ein weiterer Kollege holen Keller vom Flughafen ab.“ Jetzt sah auch er auf die Uhr. „Falls sein Flieger pünktlich in Omaha eintrifft, müssten sie in schätzungsweise einer Stunde hier sein.“
Eine Stunde! In sechzig Minuten würde sie einem Kindermörder in die Augen blicken und ihm Schutz versprechen davor, dass ihn seine verspätete Strafe ereilte.
Sie versuchte, sich auf den Fall in Florida zu konzentrieren. Die Leiche war bereits identifiziert als die des dreiundsiebzigjährigen Vater Rudolph Lawrence, bei Freunden und langjährigen Gemeindemitgliedern auch als Vater Rudy bekannt. Ein kürzlich aufgenommenes Foto, das dem Bericht beilag, zeigte einen untersetzten, stämmigen, weißhaarigen, fast schelmisch wirkenden älteren Herrn bei einer Feier. Im Hintergrund sah man ein Spruchband mit dem Schriftzug: „Gesegneten Ruhestand, Vater Rudy!“ Sie legte die Fotografie neben die Aufnahme, die man am Tatort von der Leiche gemacht hatte. Das Gesicht – oder besser das, was davon noch übrig war –, war bis zur Unkenntlichkeit aufgedunsen. Ein paar helle Haarsträhnen erkannte man – sie und das weiße Kollar boten einen bizarren Kontrast zu dem schmutzigen Häuflein, das mehr einem Bündel Lumpen glich als einem menschlichen Körper.
Laut vorläufiger Einschätzung des Pathologen lag der Eintritt des Todes nicht länger als eine Woche zurück. Die genaue Todeszeit würde sich erst durch weitere Untersuchungen feststellen lassen. Maggie erinnerte sich an Bonzados Bemerkung, dass Maden eine Leiche in einer feuchtheißen Umgebung innerhalb einer Woche bis auf die Knochen abnagen konnten. Ein solches Ambiente stellte der Küstenstreifen in der nordöstlichen Ecke des Golfs von Mexiko zweifellos dar, vor allem im Juli. Allerdings war die Leiche mit Schutt und Schlamm abgedeckt worden, was den Prozess sicherlich verzögert hatte.
Maggie trat vor die Landkarte, die Pakula an der Pinnwand befestigt hatte. „Wieso hat er die Leiche auch noch verstecken wollen, obwohl es da doch weit und breit nichts gibt als Wälder?“
„Sümpfe!“ verbesserte Pakula. „Die da unten nennen sie Wetlands. Aber Sie haben Recht. Das ist ein Dickicht aus Buschwerk, Gehölzen, Gesträuch und Grasland. Ein wahres Paradies für Moskitos und Stechmücken.“
„Klingt ja so, als seien Sie ein Fan von der Gegend.“
„Zuckerweiße Strände und smaragdgrünes Wasser! Aber das Hinterland ist Wildnis, Landschaftsschutzgebiet, weil hier die frühen Entdecker und Eroberer landeten. In Pensacola standen mal die ältesten Gebäude hier in der Gegend. Aber dann hat sie ein Hurrikan weggefegt.“
„Informieren Sie sich über jeden Tatort so gründlich?“ fragte Maggie und lächelte ihn an.
„Nein, aber ich habe Freunde da unten und die auch schon angerufen. Da sie Katholiken sind, hoffe ich, dass sie vielleicht die eine oder andere Geschichte über diesen Vater Rudolph ausbuddeln können.“
„Vater Rudy!“ korrigierte sie ihn.
„Ach ja, richtig.“
„Der Art der Stichwunde in der Brust nach könnte das durchaus unser Täter sein. Allerdings sehen mir diese Wetlands nicht gerade besonders belebt aus.“
„Ganz in der Nähe gibt es einen öffentlichen Campingplatz. Meine Bekannten meinten, der alte Pastor wohnte ungefähr eine Meile von dort entfernt. Spazierte immer zum Bootssteg runter. Natürlich über die Straße, die am Sumpf entlang führt.“
„Aber wieso hat er ihn nicht auf der Straße erstochen und im Straßengraben liegen gelassen? Der Mörder musste ihn doch irgendwie in das Gehölz locken oder ihn auf der Straße umlegen und dann in die Sümpfe schleifen! Wozu der ganze Umstand? Bisher hat er noch nie ein Opfer versteckt.“
Pakula zuckte die Achseln. „Sie sind die Profilerin. Sagen Sie’s mir!“
„Warum bloß hat er diesmal ganz anders agiert?“ sagte sie mehr zu sich selbst und ließ ihren Blick über die auf dem Tisch ausgebreiteteten Unterlagen schweifen.
„Warten Sie ab, bis der Bericht aus Boston eintrifft“, sagte Pakula genau in dem Augenblick, als seine Kollegin hereinkam.
„Ich nehme an, du meinst das hier“, rief ihm Detective Carmichael zu und warf die Kopien auf den Tisch. „Entweder rastet der jetzt völlig aus, oder
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