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Die Rueckkehr des Daemons

Die Rueckkehr des Daemons

Titel: Die Rueckkehr des Daemons Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo P. Lassak
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er es, sich zusammenzureißen. Neben ihm stand wieder Theodorakis.
    »Wann immer du ein Problem hast, kannst du zu mir kommen!«, sagte sein Onkel eindringlich. Es dröhnte. »Mörke ös dir guat: Komm zu miöööör!«
    Die Beine des Tausendfüßers drangen durch Sids Haut, bis in seine Eingeweide. Es kitzelte. Dann verlor er das Bewusstsein.

18. Kapitel
    Ich bin so wach, so wach!
Erinnerung, komm zurück. Erinnerung!
Wie unendlich lange her!
Ja: Mein Name ist Setepenseth. Und ich kann nicht sterben.
    Die Mutter und der Vater waren tot, ich beschloss zu leben. Der erste Schritt war, mein Herz zu besiegen, den schiefen Klumpen.
    Der-der-den-Wildhund-zähmt sperrte mich in einen Käfig wie ein Tier. Wenn er trübsinnig war, pikte er mich mit einem spitzen Stock und lachte. Er gab mir schlechtes Essen, Eingeweide und Gekröse, das seine Hunde liegen ließen. Morgens brachte er fauliges Wasser. Ich fraß, so viel ich konnte. Ich übte meine Augen. Wer nicht gehen kann, muss sehen. So machen es die Tiere, flüchten oder ducken. Auf beide Arten kann man überleben. Die Sonne stieg und fiel, stieg und fiel. Zweimal tausendmal zeigte sie sich am Himmel und wurde vom Land gefressen. Dann sah ich meinen neuen Vater an.
    »Ich bin dein sa «, sprach ich. »Du lebst, damit ich leben kann. Du isst, damit du mich beschützen kannst. Du trinkst, damit dich auf der Jagd nicht dürstet, wenn du mein Essen hetzt. So machen es die Väter für ihre Söhne seit Anbeginn der Welt.«
    Der-der-den-Wildhund-zähmt verzog nicht das Gesicht. Er sah mir in die Augen und wusste, dass sie stärker waren als seine. »Gut«, sprach er. »Ich werde dich lehren, die Wildhunde zu zähmen. Ich werde dich lehren, ihnen deinen Willen aufzuzwingen. Ich werde dich lehren, mit ihnen die anderen Stämme zu unterwerfen. Dich, meinen sa . Wenn die Sonne fünfmal über den Himmel gereist ist, werden wir unsere Sippe verlassen.«
    Dann legte er seinen Lieblingshund auf den Stein und schlachtete ihn. Das warme Herz hielt er mir hin und ich verspeiste es, solange es noch zuckte.
    »Seine Kraft ist deine Kraft«, sprach Der-der-den-Wildhund-zähmt.
    Ich richtete mich auf, zum ersten Mal seit Langem, und mein Vater hatte die Wahrheit gesprochen.

19. Kapitel
    NYC , Donnerstag, 6. September 2007
    Sid lag auf dem Rücken und zählte die Karos auf der hellblauen Tapete. Schrecklich teuer sah sie aus. Sein Psychiater konnte es sich leisten, das Honorar für eine Sitzung mit ihm war irrwitzig hoch. Trotzdem schickten ihn seine Eltern jede Woche zweimal ohne Murren hin. Alleine von ihrem Geld hätte Doktor Marblesteen wahrscheinlich mehrere Häuser einrichten können.
    Drei Monate waren seit seinem Unfall vergangen. Zwei Monate im Krankenhaus, davon fast sechs Wochen im Koma.
    So vieles hatte sich verändert. Er hatte sich verändert. Wenigstens hatte sein Zusammenprall mit dem Wagen keine körperlichen Schäden hinterlassen. Sids Verletzungen waren schnell abgeheilt, aber seine Seele schien mit dem Unfall nicht klarzukommen. Ihm fehlte ein Stück Lebenszeit, eben die Zeit, die er im Koma gelegen hatte. Und ihm fehlte die Antwort auf die Frage: Wer fährt einen Menschen an und macht sich dann aus dem Staub? War es nicht ein Impuls der Menschlichkeit, nach einem Verletzten zu sehen? Ob es ihm gut ging? Ob er überleben würde? Seit zwei Monaten zermarterte er sich darüber das Gehirn, aber alleine kam er zu keiner Antwort. Seit zwei Monaten quälten ihn schwere Kopfschmerzen. Er war noch nicht in die Schule zurückgekehrt. Sein Patenonkel hatte das posttraumatische Depression genannt, angeblich eine oft auftretende Niedergeschlagenheit nach schweren Verletzungen. Und genauso fühlte er sich auch. Niedergeschlagen, von einer Walze aus Blech. Eigentlich hockte er nur noch in seinem Zimmer und tat nichts, außer die Wand anzustarren. Und zweimal die Woche Karos zu zählen.
    »Woran denkst du jetzt, Sid?« Isaac Marblesteen saß mit übergeschlagenen Beinen auf einem Ohrensessel neben der Couch und ließ einen Bleistift über seinen Block gleiten.
    An ein rot umrandetes Gesicht, dachte Sid. An knallrote Haare und ein silbernes Herz. Jeden Tag.
    Marblesteen zog geräuschvoll die Nase hoch, dreimal pro Minute machte er das. Sid hatte bei einer der vergangenen Sitzungen mitgezählt, als er mit den Karos fertig gewesen war. Bis auf diesen nervtötenden Tick konnte er den Psychiater ziemlich gut leiden. Seine grünen Augen waren hellwach und freundlich, die grauen Haare standen

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