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Die Rueckkehr des Daemons

Die Rueckkehr des Daemons

Titel: Die Rueckkehr des Daemons Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo P. Lassak
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ihm wie eine Löwenmähne vom Kopf ab. Er trug immer gut sitzende Anzüge mit Weste und Krawatte, wirkte dabei aber nicht so lächerlich verkleidet wie sein Vater.
    »Ein Seelenklempner muss so aussehen«, hatte er Sid einmal erklärt und ihm verschwörerisch zugezwinkert. »Meine Klienten glauben, wenn ich seriös aussehe, dann bin ich es auch. Aber als Besonderheit gönne ich mir meine Frisur, damit ich ihnen auch zu Hause nicht aus dem Kopf gehe.«
    Genau das mochte Sid am meisten an ihm. Marblesteen redete mit ihm wie mit einem Erwachsenen. Und er hörte ihm zu. Trotzdem – dass ihm das Mädchen von der Straße jede Nacht im Traum erschien, wollte er lieber für sich behalten. Keinesfalls wollte er den Eindruck vermitteln, er sei verknallt.
    »Ich kann mich an nichts erinnern. Das macht mich fertig«, antwortete er schließlich. »Und keiner hat mir erklärt, warum ich sechs Wochen im Koma gelegen habe.«
    Marblesteen zog die Nase hoch und machte sich Notizen. Das Kratzen seines Bleistifts auf dem Papier kreischte in Sids Kopf. »Dafür bin ich sicher der falsche Ansprechpartner«, murmelte er abwesend. »Aber du bist wieder kerngesund. Körperlich jedenfalls. Also wird schon alles richtig gewesen sein.«
    »Und warum durfte mich niemand besuchen? Nur meinen Patenonkel, meine Eltern und eine hässliche alte Krankenschwester habe ich gesehen, sonst niemanden. Im Grunde habe ich die ganze Zeit im Krankenhaus, nachdem ich aus dem Koma erwacht bin, nur bruchstückhaft in Erinnerung. Und an den Weg vom Hospital nach Hause erinnere ich mich auch nicht mehr. Ich fühle mich so, als hätte mir jemand einen Teil meines Lebens gestohlen!«
    Die Knöpfe der Liege drückten Sid im Rücken. Außerdem war er mit Zählen fertig. Es waren 25 6 Karos, wie vergangenen Freitag. Er drehte sich auf die Seite.
    Der Psychiater legte den Schreibblock auf seinen Schoß und lächelte Sid an. »Sid! Du weißt doch, wie Eltern sind! Das ganze Jahr über kümmern sie sich nicht um ihre Kinder. Aber wenn sie krank sind, behandeln sie sie wie Säuglinge. Sicher hat deine Mutter jeden weiteren Besuch strikt untersagt. Aus Angst vor den bösen, bösen Bazillen!«
    Sid musste grinsen. Er dachte daran, was seine Mutter immer über die U-Bahn sagte: »Schon der Gedanke an die ganzen Bazillen, die dort herumschwirren, macht mich krank!« Sie war sicher der einzige Mensch in ganz New York, der noch nie im Subway gesessen hatte.
    »Jeder Jugendliche in der Pubertät findet seine Eltern… wie würdet ihr sagen? Ätzend?« Marblesteen hielt sich geheimnisvoll die Hand vor den Mund. »Ehrlich gesagt, bei deiner Mutter kann ich es verstehen!«
    Sid lachte. Dieser Kerl war echt okay! Erleichtert fiel ihm auf, dass das sein erstes Lachen seit Wochen war. Auch der Psychiater schien es zu bemerken.
    »Siehst du, jetzt lachst du schon wieder! Es geht aufwärts!«, sagte er fröhlich. »Wenn wir noch ein bisschen weiterarbeiten, brauchst du bald nicht mehr zu kommen!« Er nahm wieder seine Zuhörerposition ein. »Erzähle mir etwas aus deiner Kindheit. Was ist deine erste Erinnerung?«
    Sid starrte die Wand hinter dem Sessel an. Hier waren die Karos schwerer zu zählen. Überall hingen gerahmte Diplome und Fotos.
    »Es gibt da diese seltsame Erinnerung. Ich weiß nicht genau, was sie bedeutet.«
    Die Bilder liefen plötzlich wie ein Film vor ihm ab. Bob und Caroline hatten ihn auf einen Ausflug mitgenommen, nach Coney Island. Ihre Gesichter kreisten wie Weißkopfseeadler weit über ihm. Höher war nur noch die Sonne. Unter seinen Füßen konnte er durch die Bretter der Uferpromenade den dreckigen weißen Sand sehen. Überall waren Menschen, als Meerjungfrauen und Meeresgötter verkleidet. Die skurrile Mermaid-Parade, wie er viel später erfahren hatte. Das Gedränge machte ihm Angst. Nur die Tingeltangelmusik des Riesenrads beruhigte ihn. Sein Magen knurrte, es roch so lecker. Er quengelte, aber seine Eltern wollten ihm kein Hotdog kaufen, aus Hygienegründen. Wieder diese bösen, bösen Bazillen, auch damals hatte seine Mutter offenbar schon ihre albernen Phobien gehabt. Er wollte hinüberlaufen zu dem Stand mit den bunten Wimpeln. Aber sein Vater war so stark. Er zog ihn einfach weiter, fort von den Attraktionen des Parks. Mit seinem Taschentuch wischte Bob eine Bank ab. Es kam ihm so groß wie eine Zeltplane vor. Dann setzten sie sich. Sogar seine Mutter. Sie redeten über langweilige Sachen, über die Mieten und Kaufpreise von Wohnungen.
    »Langsam

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