Die Rueckkehr des Daemons
seinem Bett hatte einen weißen Kittel an und trug einen grünen Mundschutz. Aber seine freundlichen Augen verrieten ihn: Panajotis Theodorakis, berühmter New Yorker Chirurg und Sids Patenonkel. Ein eleganter Mann mit gewellten grauen Haaren und den ebenmäßigen Gesichtszügen einer antiken Statue. Gegen die spiegelnden Fliesen trat sein Profil noch deutlicher heraus.
»Du hattest einen Unfall, matiamo «, flüsterte Theodorakis und streichelte ihm über den Kopf. »Wir mussten dich in ein künstliches Koma versetzen. Schädelhirntrauma, gebrochene Rippen, Blut in der Lunge. Den Rest erspar ich dir. Wir haben uns schlimme Sorgen gemacht. Aber jetzt scheinst du über den Berg zu sein.«
Er deutete auf einen kleinen Bildschirm, über den in gleichmäßigen Abständen gezackte Linien jagten. Das rote Licht der Anzeige brannte in Sids Augen. Angestrengt kniff er die Lider zusammen. Sein Kopf brummte. Wilde Bilder blitzten auf. Das Auto, der Asphalt, die Sanitäter. Die verdorrte Frau aus der Times. »Es riecht so scheußlich hier!«, nuschelte er. Sid blinzelte angestrengt.
»Das sind die Desinfektionsmittel«, erklärte sein Patenonkel leise. »Du bist auf der Intensivstation. Hier muss alles steril sein. Bakterien und Viren stürzen sich mit Vorliebe auf geschwächte Menschen. Schon ein normaler Schnupfen kann im Moment lebensgefährlich für dich sein.« Er tippte sich an den Mundschutz. »Meinst du, ich trage diese Maske hier freiwillig?«
Sid verzog seinen Mund mühsam zu einem Lächeln. »Sieht echt komisch aus!«, flüsterte er heiser. »Aber den Geruch kenne ich irgendwoher!«
Die pechschwarzen Augen seines Paten zeigten Erstaunen. Er lachte. »Da renne ich an meinen freien Wochenenden in die Vorträge der berühmtesten Ärzte der Welt, und mein eigenes Patenkind bringt mir noch Sachen bei, die ich nicht weiß!«
Mit der rechten Hand zog er einen Stuhl neben das Bett. Die Gumminoppen an den Beinen schrappten über die Fliesen. Das quietschende Geräusch dröhnte in Sids Kopf. Das Licht änderte sich. Theodorakis hatte sich neben ihn gesetzt.
»Unser Geruchsgedächtnis ist sehr stark, aber dass es so früh einsetzt! Da sage noch einer, Säuglinge bekämen nichts von ihrer Umwelt mit. Du warst tatsächlich schon einmal hier«, erzählte er leise. »Drei Tage nach deiner Geburt.«
»Ich weiß«, murmelte Sid. »Die Narbe auf meiner Brust.«
Panajotis nickte. »Dein Herz… deine Atmung war ein wenig schwach. Es war nur ein kleiner Eingriff. Zur Überwachung musstest du auf diese Station. Bei Neugeborenen sind wir immer besonders vorsichtig.«
Theodorakis schlug ein Bein über das andere. Er starrte die Wand an. »Ich hatte auch damals schon viele Babys operiert, aber du warst etwas Besonderes.« Er sah Sid direkt in die Augen. »Du hast so zerbrechlich gewirkt, Sid. So schutzbedürftig. Und trotz all der Schläuche und Elektroden, an die wir dich anschließen mussten, warst du so ruhig. Als hättest du gewusst, dass alles, was diese großen fremden Menschen mit dir machen, nur zu deinem Besten war!« Theodorakis griff nach Sids Hand und drückte sie. »Ich habe damals etwas getan, was höchst unprofessionell ist. Als deine Eltern nach der OP endlich zu dir konnten, bat ich sie darum, dein Pate werden zu dürfen. So sehr warst du mir ans Herz gewachsen.« Er lachte wieder.
Sid hatte Mühe, seinen Worten zu folgen. Er war so müde. So unendlich müde…
»Caroline und Bob waren natürlich erstaunt. Aber ohne das kleinste Zögern haben sie zugestimmt. Und es bis heute nicht bereut. Du bist wie ein Sohn für mich.«
Die Worte hallten von den Wänden zurück. Verzerrt wie die Stimmen von Mafiaaussteigern im Fernsehen, die nicht erkannt werden wollen. Die Gestalt seines Paten löste sich auf und setzte sich neu zusammen. Ein glupschäugiger, hässlicher Ork mit faulen Zähnen.
Die Medikamente machen das!, versuchte sich Sid zu beruhigen, doch sein Herz pumpte Angst in den Körper. Ihm wurde übel.
Das Piepen wurde lauter.
Sid registrierte, wie neben ihm, ganz weit weg, ein Stuhl umfiel.
»Schande über mich!«, dröhnte Theodorakis. »Ich habe dich überanstrengt!«
Der Schlauch rieb an Sids Arm. Mehr Medikamente sickerten in sein Blut. Höhere Dosen von Schmerzmitteln tröpfelten aus dem Plastikbeutel in seine Vene. Er rollte mit dem Kopf.
»Do mosst jöatzt schluafen!«, hörte er Theodorakis entstellt schnaufen. Sid blinzelte. Ein Ochse mit dem Unterleib eines Tausendfüßers.
Noch einmal schaffte
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