Die Rückkehr des Drachen
sicher, ob Alanna ihre Frage verstehen würde, denn sie verstand selbst nicht, worauf sie eigentlich hinaus wollte, doch Alanna nickte bedächtig, als habe sie verstanden.
»Die Braunen streben nach Wissen, die Blauen suchen nach Ursachen, und die Weißen unterziehen die Fragen nach der Wahrheit einer unerbittlich logischen Prüfung. Wir machen von jedem etwas, ganz klar. Aber eine Grüne zu sein heißt, sich bereitzuhalten.« In ihrer Stimme schwang ein gewisser Stolz mit. »Während der Trolloc-Kriege nannte man uns oft die Schlachten-Ajah. Alle Aes Sedai halfen, wo und wann sie konnten, aber die Grünen Ajah waren immer bei den kämpfenden Heeren, waren in fast jeder Schlacht dabei. Wir mußten die Schattenlords im Schach halten. Die Schlachten-Ajah. Und nun halten wir uns bereit, denn die Trollocs kommen wieder immer weiter nach Süden. Tarmon Gai'don, die Letzte Schlacht, naht. Wir werden dabeisein. Das bedeutet es, eine Grüne zu sein.«
»Ich danke Euch, Aes Sedai«, sagte Egwene. Das war ich also? Oder das werde ich sein? Licht, ich wünschte, ich wüßte, ob es Wirklichkeit war und ob es überhaupt irgend etwas mit dem Hier und Jetzt zu tun hat.
Die Amyrlin kam zu ihnen herüber, und sie knicksten tief vor ihr. »Geht es Euch gut, Tochter?« fragte sie Egwene. Ihr Blick wanderte kurz zu den Papieren, die unter dem Novizinnenkleid in Egwenes Händen hervorlugten, und dann sofort wieder zurück zu ihrem Gesicht. »Ich muß wissen, was heute abend hier geschehen ist, bevor ich gehe.«
Egwenes Wangen liefen rot an. »Mir geht es gut, Mutter.«
Alanna überraschte sie, indem sie die Amyrlin das gleiche fragte, was sie vorher schon angedeutet hatte.
»So etwas habe ich ja noch nie gehört!« fauchte die Amyrlin. »Der Reeder packt doch nicht mit den Matrosen zusammen an, selbst wenn er das Schiff auf eine Schlammbank gesetzt hat!« Sie sah Egwene an und ihre Augen zogen sich besorgt zusammen. Und zornig. »Ich teile Eure Sorge, Alanna. Was dieses Kind auch getan hat, sie hatte das jedenfalls nicht verdient. Also gut, ich werde Eure Gefühle beruhigen. Ihr mögt Sheriam besuchen. Aber es muß streng unter euch bleiben. Ich will nicht, daß sich Aes Sedai lächerlich machen, auch nicht hier in der Burg.«
Egwene öffnete den Mund, um alles zu gestehen und ihnen den Ring zu übergeben - ich will das blutige Ding wirklich nicht -, aber Alanna kam ihr zuvor. »Und das andere, Mutter?«
»Macht Euch nicht selbst lächerlich, Tochter.« Die Amyrlin ärgerte sich, und ihr Zorn steigerte sich mit jedem Wort. »Innerhalb eines Tages wärt Ihr die absolute Lachnummer, außer bei denen, die glaubten, Ihr wärt verrückt geworden. Und glaubt nicht, daß es schnell wieder vorbei wäre. Geschichten wie diese verbreiten sich in Windeseile. Ihr würdet bald feststellen, daß man sich von Tear bis Maradon Geschichten von der Küchenmagd-Aes-Sedai erzählt! Und das würde auf jede Schwester zurückfallen. Wenn Ihr irgendwelche Schuldgefühle loswerden wollt und damit nicht wie eine erwachsene Frau fertigwerdet, na gut. Ich sagte Euch, Ihr solltet Sheriam besuchen. Begleitet sie heute abend, wenn Ihr hier weggeht. Dann habt Ihr den Rest der Nacht Zeit, zu überlegen, ob es hilfreich war. Und morgen könnt Ihr damit beginnen, herauszufinden, was heute abend hier geschehen ist!«
»Ja, Mutter.« Alannas Stimme klang völlig ungerührt.
Der Wunsch, zu gestehen, war mittlerweile in Egwene gestorben. Alanna hatte nur einen kurzen Moment lang Enttäuschung gezeigt, als ihr klar wurde, daß die Amyrlin ihr nicht erlauben würde, Egwene in der Küche zu helfen. Sie will genausowenig bestraft werden wie irgendeine andere normale Person. Sie brauchte eine Ausrede, um in meiner Nähe sein zu können. Licht, sie hat doch wohl nicht mit Absicht den Ter'Angreal beeinflußt, daß er durchdreht? Ich habe das doch verursacht. Könnte sie eine Schwarze Ajah sein?
In Gedanken versunken, bemerkte Egwene erst das Räuspern gar nicht. Als es sich wiederholte, blickte sie auf. Die Amyrlin blickte geradewegs in sie hinein, und als sie sprach, klang es sehr kurz angebunden.
»Da es scheint, daß Ihr auf den Füßen einschlaft, Kind, schlage ich vor, Ihr geht zu Bett.« Einen Augenblick lang wanderte ihr Blick wieder zu den beinahe versteckten Papieren in Egwenes Hand. »Ihr habt viel zu tun morgen und das noch viele Tage lang!« Ihre Augen hielten Egwene noch einen Moment länger fest und dann schritt sie fort, bevor auch nur eine von ihnen
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