Die Rückkehr des Drachen
bereits ihre Frühlingsblüten. Winzig und weiß leuchteten sie auf den Weißdornbüschen und zwischen den hochroten Beeren der Vogelbeerbäume. Ein Baum, den sie nicht kannte, war bedeckt von runden weißen Blüten, jede größer als zwei Handspannen. In Abständen sah man die gelben oder weißen Blüten einer Kletterrose durch sattgrün belaubtes Geäst oder rote Schößlinge leuchten. Der Kontrast zu all der Asche und dem Schutt war zu hart, als daß sie den Frühling hätte genießen können.
Da wünschte sich Egwene eine Aes Sedai herbei, um ihr die vielen Fragen zu stellen, die ihr auf der Zunge brannten. Eine, der sie vertrauen konnte. Wenn sie mit den Fingern leicht über ihre Gürteltasche strich, konnte sie gerade noch den Ring des Ter'Angreal darinnen fühlen.
Sie hatte ihn jede Nacht seit ihrer Abreise aus Tar Valon benützt, mit zwei Ausnahmen, aber es war keine zweimal das gleiche herausgekommen. O ja, sie kam immer nach Tel'aran'rhiod, aber das einzig Nützliche, das sie dort sah, war wieder das Herz des Steins, jedesmal aber ohne Sylvie, die ihr Einzelheiten darüber berichtet hätte. Sie sah absolut nichts von den Schwarzen Ajah.
Ihre eigenen Träume, die nicht von dem Ter'Angreal unterstützt wurden, waren von Bildern erfüllt gewesen, die beinahe wie Szenen aus der Unsichtbaren Welt wirkten. Rand, der ein Schwert in der Hand hielt, das wie die Sonne brannte, bis sie es kaum mehr als Schwert erkennen konnte und auch kaum mehr ihn selbst als Rand. Wieder Rand, der auf unzählige Arten bedroht wurde. Keine dieser Bedrohungen erschien ihr wirklich. In einem Traum hatte er sich auf einem riesigen Spielbrett befunden. Die schwarzen und weißen Spielfiguren waren so groß wie Felsblöcke gewesen, und er duckte sich unter den monströsen Händen weg, die sie führten und die ihn zu zerquetschen drohten. Es konnte durchaus eine Bedeutung haben. Das war auch wahrscheinlich, doch bis auf die Tatsache, daß sich Rand durch jemand oder auch durch zwei Personen in Gefahr befand - soweit war sie sich sicher -, wußte sie nun immer noch nichts. Ich kann ihm im Moment nicht helfen. Ich muß meine eigene Pflicht erfüllen. Ich weiß noch nicht einmal, wo er sich befindet, außer daß er möglicherweise tausend Meilen oder mehr von hier entfernt ist.
Sie hatte von Perrin und einem Wolf geträumt und von einem Falken bei Perrin, der mit einem Habicht kämpfte. Perrin rannte vor jemand Tödlichem weg und sprang ganz bewußt vom Rand einer hoch aufragenden Klippe in die Tiefe, wobei er sagte: »Es muß vollbracht werden. Ich muß das Fliegen lernen, bevor ich auf dem Boden aufschlage.« Einmal hatte sie von einem Aiel geträumt, und sie glaubte, auch das habe mit Perrin zu tun gehabt. Aber sie war sich nicht ganz sicher. Und dann träumte sie von Min, die eine stählerne Falle zum Zuschnappen brachte, ohne sie beim Hindurchlaufen überhaupt zu bemerken. Auch von Mat hatte sie mehrmals geträumt. Mat, um den herum Würfel wirbelten - sie wußte, wo diese Vorstellung herrührte - und wie er von einem Mann verfolgt wurde, der gar nicht da war. Das verstand sie immer noch nicht: Ein Mann oder vielleicht auch mehr als einer folgten ihm, aber doch waren sie nicht vorhanden! Dann wieder ritt Mat verzweifelt auf ein in der Ferne verschwindendes Ziel zu, das er unbedingt erreichen mußte. Und er war bei einer Frau, die mit Feuerwerk um sich warf. Eine aus der Gilde der Feuerwerker, nahm sie an, aber das ergab auch nicht mehr Sinn als alles andere.
Sie hatte derart viele Träume gehabt, daß sie schon begann, an allem zu zweifeln. Vielleicht hatte es damit zu tun, daß sie den Ter'Angreal zu oft benützte, oder daß sie ihn überhaupt bei sich trug. Möglicherweise erfuhr sie nun auch, was ein Träumer gewöhnlich erlebte. Verzweifelte, aufwühlende Träume. Männer und Frauen, die aus Käfigen ausbrachen und sich dann Kronen aufsetzten. Eine Frau spielte mit Puppen, und in einem anderen Traum führten die Fäden an einer Puppe zu den Händen einer größeren und deren Fäden wieder zu einer größeren Puppe und immer so weiter, bis die Fäden in unendlichen Höhen verschwanden. Könige starben, Königinnen weinten, Schlachten tobten. Weißmäntel brandschatzten die Zwei Flüsse. Sogar von den Seanchan hatte sie wieder geträumt. Mehr als einmal. Diese Träume verdrängte sie in eine dunkle Ecke ihres Verstands; sie wollte nicht daran denken. Und dann Mutter und Vater -jede Nacht.
Zumindest war sie sicher, was diese Träume
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